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STYX - Fluss der Toten (German Edition)

STYX - Fluss der Toten (German Edition)

Titel: STYX - Fluss der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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der Göttin fiel sie auf die Knie, lehnte den Kopf an den kalten Stein und betete stumm.
    Es war still im Tempel. Wie durch einen Zauber, der verhinderte, dass der heilige Ort entweiht würde, drang der Lärm der Schlacht nicht durch die dicken Mauern.
    Plötzlich hörte Kassandra Schritte hinter sich.
    Sie umklammerte das Standbild, flehte zu Athene, sie zu beschützen. Die Schritte kamen näher, hielten dann inne. Langsam drehte Kassandra sich um.
    Da stand er. Eine dunkle Gestalt, vom flackernden Feuer der Fackeln in unstetes Licht getaucht. Von seinem Schwert tropfte Blut, seine muskulösen Unterarme waren mit Schnitten übersäht, sein ganzer Körper schien in Blut getaucht worden zu sein. Er trug keinen Helm, sein verschwitztes Haar hatte sich aus dem Lederband gelöst und fiel wirr in sein Gesicht. Seine Augen lagen im Schatten, die Flammen tanzten darin wie Feuernymphen.
    Er musterte Kassandra wie eine Jäger seine Beute. Ajax der Lockrer. Sie kannte ihn aus ihren Visionen. Sie schloss die Augen, schrie nach der Göttin, der sie ihr Leben geweiht hatte. Doch Athene blieb stumm.
    Ajax kam auf sie zu. Ihre Visionen logen niemals.
*
    Kassandra wusste, was sie sehen würde.
    Sie schob die Tür auf und trat ein.
    Die Bodenplatten waren mit Blut getränkt. Die Lache hatte sich fast bis zur Tür ausgebreitet. Kassandra stand in dem Blut, es war noch warm.
    Vor ihr lag Agamemnon. Er war nackt. Das Badewasser in dem Bottich hinter ihm dampfte noch.
    Man hatte dem König die Kehle durchgeschnitten. Wie einem Lamm, das den Göttern geopfert wurde. Sein alter Körper war bleich, fast gräulich. Die weit geöffneten Augen starrten stumpf zu ihr hinauf.
    Sie kniete sich neben ihn. Der Saum ihres Kleides saugte das Blut auf. Sanft schloss sie seine Augen.
    Dann blickte sie auf.
    Neben dem Bottich stand Klytaimnestra, gekleidet in ein schlichtes Leinenkleid, als habe sie ihrem Gatten beim Baden helfen wollen. Jetzt war das helle Kleid blutverschmiert, rote Spritzer waren auf den nackten Armen der Königin, auf ihrem Hals, auf ihren Gesicht, sogar auf ihren Lippen, als habe sie von dem Blut getrunken. Sie hielt ein Messer in der Rechten. Von der schmalen Klinge tropfte Blut und zog dunkle Schlieren auf dem Boden.
    Neben ihr, eine Hand auf ihrer Schulter, stand Aigisthos. Sein Gewand war sauber. Nur auf seinen schmalen Lippen schimmerte feuchtes, rotes Blut, als habe er Klytaimnestra geküsst. Ein dünnes Lächeln lag auf seinen Lippen, als er Kassandra musterte.
    Klytaimnestra lachte.
    Ein schrilles, hohes Lachen wie von einer Wahnsinnigen. »Habt Ihr nicht voraussehen können, was geschehen würde?« Ihre Stimme überschlug sich. »Konntet Ihr nicht einmal Euer eigenes Ende erblicken, Seherin?«
    Sie hob das Messer und kam auf Kassandra zu.
    Kassandra lächelte.
    Apollon nahm die Hand von ihrer Schulter.
    Erst jetzt begriff sie, dass der Gott immer bei ihr gewesen war, jeden Tag ihres Lebens, seit er sie erwählt hatte.
    Sie konnte ihn nicht mehr dafür hassen.
    Jetzt war sie frei.
    Sie hob den Kopf und sah in Klytaimnestras vor Wahnsinn glühende Augen.
    »Doch«, sagte sie leise. »Das habe ich.«

Neuanfang
    Veronika Bicker
    »Was tust du?«
    Cassie schreckte auf und wirbelte herum.
    Max stand hinter ihr, den Kopf schief gelegt, und sah sie aus großen Augen an. Der Regen hatte sein dunkles Haar eng an den Schädel geklebt und Wasser rann ihm wie Tränen die Wangen hinunter. Natürlich hatte er seine Kapuze nicht aufgesetzt.
    Trotz seiner vierzehn Jahre wirkte er so kindlich, dass Cassie das Herz wehtat.
    »Nichts«, antwortete sie nach kurzem Zögern. »Ich sehe mir nur den Fluss an.«
    »Es regnet«, erwiderte er und trat neben sie, um ebenfalls den Hang hinunter auf die Wasseroberfläche zu sehen. Das Wasser, das dort vorbeistrudelte, war dunkelbraun und schlammig vom tagelangen Regen. Alles Mögliche trieb darin: Äste, Kinderspielzeug, ab und zu ein totes Tier.
    Wieder wurde Cassies Blick gegen ihren Willen von der Wasseroberfläche gefangen genommen. Sie beobachtete, wie eine tote Möwe langsam an ihnen vorbeitrieb, ein kleines grau-weißes Etwas in all dem Braun. Cassie konnte ihre Augen nicht sehen, auch wenn sie gerne gewusst hätte, wie sie aussahen.
    »Warum siehst du dir den Fluss an?«, wollte Max wissen. Seine Hand stahl sich beinahe unbemerkt in ihre. »Ich dachte, du wolltest nach etwas zu Essen suchen. Du hast es uns versprochen.«
    Cassie drückte sanft seine Finger und wandte sich ihm zu. Sie zwang ein

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