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STYX - Fluss der Toten (German Edition)

STYX - Fluss der Toten (German Edition)

Titel: STYX - Fluss der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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in warmen Sommern. Manchmal hatten sie auch in Scheunen geschlafen; sie, ihre Schwester und ihr Bruder, im warmen, duftenden Stroh, mit Grashalmen im Haar und Staub in der Nase.
    Sie schüttelte die Erinnerung ab und schleppte Navin zu einem der Lager aus Stroh und alten Pferdedecken, die sie in der Scheune gefunden hatten. Dort ließ sie ihn stöhnend auf den Boden gleiten. Er versuchte einen Moment lang aufrecht sitzen zu bleiben, dann jedoch kippte er beinahe zur Seite und blieb auf dem Lager liegen wie eine tote Puppe.
    »Rona, in meiner Umhängetasche ist Schokolade. Gib jedem einen Riegel, Lennart zwei, dann sehen wir, wie viel übrig bleibt. Es sind auch noch zwei Fische drin, die rührst du nicht an, verstanden? Ich muss erst sehen, ob die noch gut sind.« Sie hatte die toten Fische am Ufer gefunden und beschlossen, diese erst einmal mitzunehmen. Gebraten war fast alles genießbar. Aber sie musste nicht die Kleinen auch noch vergiften, wenn sie sowieso schon am Verhungern waren. Sie hatte genug am Hals.
    Cassie beugte sich über Navin, der mit halb geschlossenen Augen auf der Seite lag. »Alles in Ordnung?« Sie spürte, wie Rona an ihrer Tasche nestelte und die Schokolade herausholte. Auffordernd streckte sie dem Mädchen die Hand hin, und nach kurzem Zögern legte diese einen Riegel hinein. Cassie riss mit den Zähnen das Papier auf – ihre Finger waren viel zu nass und rutschig – und schob es so weit zurück, dass die Schokolade hinaussah. Dann hielt sie den Riegel vor Navins Nase.
    »Du musst noch was essen«, sagte sie, »sonst kommst du nie auf die Beine.«
    »Du hörst dich an wie meine Mutter.«
    Obwohl seine Stimme vorwurfsvoll klang, lächelte er. Mit Mühe gelang es ihm, sich in eine sitzende Position zu bringen und Cassie den Riegel aus der Hand zu nehmen. Cassie selbst nahm sich ebenfalls einen und ließ sich dann neben Navin auf das Lager plumpsen. Während sie den Riegel in sich hineinstopfte – immer darauf bedacht, nicht zu schnell zu essen – beobachtete sie, wie Rona gewissenhaft die restliche Schokolade verteilte. Lennart war zu schwach, um seinen Anteil anzunehmen, also setzte sich Rona nach ihrer Runde zu ihm, packte die Schokoriegel aus und begann, den kleinen Jungen zu füttern.
    »Deine Schwester?« Navins Stimme schreckte Cassie auf. Sie klang schon viel stärker als zuvor. Was so ein bisschen Zucker ausmachte.
    Sie schüttelte den Kopf. »Keines von ihnen ist mit mir verwandt«, sagte sie. Beinahe liebevoll ließ sie ihren Blick über die elf Kinder schweifen. »Sie scheinen sich nur irgendwie in meiner Nähe zu sammeln. Vor ein paar Wochen war ich noch alleine unterwegs.«
    »Du sorgst gut für sie.«
    In seiner Stimme lag Anerkennung, doch Cassie zuckte nur mit den Schultern.
    »Ich sorge dafür, dass sie nicht ganz so schnell sterben. Ich weiß nicht, ob ich ihnen damit wirklich einen Gefallen tue. Das wird sich wohl noch zeigen.« Sie machte eine wegwerfende Handbewegung, um seinen Einwand bereits zu unterdrücken, bevor er ihn gemacht hatte. Stattdessen wandte sie sich von den Kindern ab und Navin zu.
    Jetzt, wo er saß und nicht mehr ganz so schwach aussah, war zu erkennen, dass er noch gar nicht so alt war, wie sie zuerst geglaubt hatte. Sein schmutziges Haar war unter der Dreckschicht nicht etwa grau oder weiß, sondern von einem sehr hellen Blond. Und wenn man sich die eingefallenen Wangen und die ganzen Falten wegdachte, die Wind und Wetter gegraben hatten, war er vielleicht Mitte Zwanzig – nicht viel älter jedenfalls. Und nett. Ja, er hatte ein nettes, freundliches Gesicht; etwas, das in eine Vergangenheit gehörte, die nicht wiederkommen würde.
    »Du hast gesagt, du bist kein Soldat«, sagte sie. »Was bist du dann?« Sie wollte ihn nicht fragen, wie ein netter Junge wie er dazu kam, in einem Loch im Damm zu liegen und vor sich hin zu sterben.
    Navin lachte. Es hörte sich wie ein Husten an, aber es war dennoch ein gutes Geräusch. »Ich bin Matrose«, sagte er.
    »Matrose?«
    Sie runzelte die Stirn und automatisch wanderte ihr Blick in Richtung Scheunentür, hinter der sich nur ein paar Meter weiter irgendwo der Fluss verbarg. Sie konnte ihn rauschen hören.
    »So was in der Art. Ich habe früher einen Touristendampfer gefahren. Den Fluss rauf und runter. Also, ich habe ausgeholfen und manchmal auch gelenkt, Kapitän war ich nie. Später ... später habe ich die Lastkähne flussaufwärts gebracht, auf denen sich die Flüchtlinge versammelt hatten.« Sein Blick

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