Succubus Blues - Komm ihr nicht zu nah
lang überleben. Seth beugte sich näher zu mir, und ich blendete die Geräusche des Chaos und der Zerstörung aus, die rings um uns tobten, und konzentrierte stattdessen alles, meine sämtliche Sinne, auf sein Gesicht.
Ich hatte gesagt, Roman sei schön, aber in diesem Augenblick war er nichts – überhaupt nichts – im Vergleich zu Seth. Seth und seine spöttischen braunen Augen mit den langen Wimpern, dessen Freundlichkeit sich in allen seinen Taten manifestierte. Seth und sein strubbeliges Haar und leicht ungepflegter Bart, der ein Gesicht einrahmte, das seine Natur nicht verbergen konnte, dessen Charakterstärke hindurchschimmerte, dessen Seele wie ein Leuchtfeuer in einer nebeligen Nacht war.
»Seth«, flüsterte ich. »Seth!«
Er beugte sich zu mir herüber, ließ sich von mir näher heranziehen, immer näher, und dann, während jenseits von uns Himmel und Hölle rasten, küsste ich ihn.
Kapitel 25
Manchmal erwacht man aus einem Traum. Manchmal erwacht man in einem Traum. Und manchmal, so hin und wieder, erwacht man im Traum eines anderen.
Wenn er mich mitnehmen und mich zu seiner Liebessklavin machen will, dann werd’ ich’s tun, solange ich Leseexemplare seiner Bücher bekomme.
Meine ersten Worte zu Seth, als ich so leidenschaftlich über sein Werk gesprochen hatte. Kopf hoch, das Haar über die Schulter zurückgeworfen. Stets eine flapsige Bemerkung auf den Lippen. Grace under Fire. Ein kühles Selbstbewusstsein im Umgang mit anderen, das der introvertierte Seth nie aufbringen konnte, um das er mich jedoch beneidete. Wie bringt sie das fertig? Keine Gelegenheit verpassen? Später, meine weitschweifige Erklärung der Fünf-Seiten-Regel, einer dämlichen Angewohnheit, die er unglaublich liebenswürdig fand. Noch jemand, der Literatur zu schätzen wusste, der sie wie guten Wein betrachtete. Klug und tief. Und wunderschön. Ja, wunderschön. Ich sah mich jetzt, wie Seth mich an diesem Abend gesehen hatte: der kurze Rock, das gewagte purpurfarbene Top, leuchtend wie Vogelgefieder. Wie eine exotische Kreatur, hoffnungslos fehl am Platz in der öden Landschaft einer Buchhandlung.
All dies war in Seth, die Vergangenheit seiner zunehmenden Gefühle für mich, die sich mit der Gegenwart mischte, und ich saugte alles in mich hinein.
Nicht nur wunderschön. Sexy. Sinnlich. Eine Fleisch gewordene Göttin, deren jede Bewegung auf zukünftige Leidenschaft hindeutete. Der Träger des Kleids, der mir von der Schulter rutschte. Kleine Schweißperlen in meinem Ausschnitt. In seiner Küche stehend, bekleidet lediglich mit diesem lächerlichen Black-Sabbath-T-Shirt. Nichts darunter. Wie ist das wohl, aufzuwachen und sie neben mir zu haben, zerwühlt und entfesselt.
All das ergoss sich in mich hinein. Und noch mehr.
Er beobachtete mich in der Buchhandlung. Sah mir gern im Umgang mit den Kunden zu. Liebte es, dass ich anscheinend von allem etwas verstand. Die geistreichen Dialoge, die er sich für seine Figuren ausdachte, kamen mir ohne zu zögern über die Lippen. Erstaunlich. Nie jemandem begegnet, die im wirklichen Leben so spricht. Meine Verhandlung mit dem Besitzer des Antiquariats. Ein Charisma, das den scheuen, stillen Seth anzog, das mich in seinen Augen glänzen ließ. Sodass er mehr Zuversicht verspürte.
Immer noch rasten seine Gefühle durch mich hindurch. So etwas hatte ich noch nie empfunden. Ich hatte gewiss Anziehungskraft und Stolz in meinen Opfern gespürt, aber niemals solche Liebe, die mir galt.
Seth hielt mich für sexy, ja. Es verlangte ihn nach mir. Aber dieses rohe Lustgefühl war auch mit etwas Weicherem gepaart. Etwas Süßerem. Kayla, die auf meinem Schoß saß, den kleinen blonden Kopf an meine Brust gelehnt, während ich ihr das Haar flocht. Ein kurzer Bildwechsel, als er sich eine eigene Tochter auf meinem Schoß vorstellte. Wild und geistreich auf der einen Seite, sanft und verletzlich auf der anderen. Mein betrunkener Zustand in seinem Apartment. Ein anschwellender Beschützerinstinkt, als er mich ins Bett brachte, mich Stunden, nachdem ich eingeschlafen war, beobachtete. Trotz meiner Schwäche hielt er nicht weniger von mir, trotz meines Verlusts von Kontrolle und Urteilsvermögen. Es war, als hätte ich für ihn die Mauern um mich herum eingerissen, ein Zeichen für Unvollkommenheit, und er liebte mich deswegen umso mehr.
Mehr und mehr trank ich in mich hinein. In meinem verzweifelten und geschwächten Zustand war ich außerstande innezuhalten.
»Warum trifft sie sich nie
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