Suche nicht die Suende
jeder Weise absolut bewunderungswürdig ist.« Alex’ Schnauben ignorierte sie. »Ich kann nicht verstehen, warum Sie ihn so hart beurteilen, besonders wenn –«
»Warum? Sie können nicht verstehen warum?« Die Augen des Earls traten hervor. »Sie von Paris wegzuzerren – in einer solchen Situation zu landen – nun, ich bemitleide Sie, wenn Sie sich das Warum nicht vorstellen können! Ich fürchte, Sie werden eine unangenehme Überraschung erleben, noch bevor Ihre Flitterwochen zu Ende sein werden.« Hier verstummte er, während sein Gesicht ein mattes Rot annahm. Vielleicht erinnerte er sich in diesem Augenblick der Umstände, unter denen Lady Milton Gwen und seinen Bruder entdeckt hatte, und vermutete, dass die Flitterwochen nicht so viele Überraschungen bringen würden, wie sie es anständigerweise sollten. Noch schroffer fuhr er fort: »So ist es immer mit ihm gewesen. Ich hätte von Ihnen erwartet, dass Sie das wissen! Sicherlich wissen Sie immerhin, auf welche Weise er seinen … Lebensunterhalt verdient.« Die letzten Worte spie er fast aus. »Und natürlich nicht zu vergessen: diese Sache mit Ihrem Bruder –«
Sie schnitt ihm das Wort ab, in einem Ton, der weitaus kälter war, als sie ihn jemals jemandem anders gegenüber benutzt hatte. »Es war mein eigener Wunsch, dass wir heiraten. Ich muss aus Ihren Worten schließen, dass Sie mich entweder für eine Närrin halten, weil ich ihn zu heiraten wünsche, oder dass Sie mich verhöhnen, indem sie so empörend sprechen, obwohl Sie kein Wort davon meinen. Ja, er verdient sich seinen
Lebensunterhalt
– und zwar einen sehr guten. Sie werden es mir vergeben, falls meine persönliche Erfahrung mit Männern, die über ererbte Privilegien verfügen, mich dazu gebracht hat zu glauben, dass ein Mann, der für sein Einkommen arbeitet, weitaus vertrauenswürdiger ist als einer, dem es von Geburt an in die Wiege gelegt ist.«
Lord Weston wollte etwas entgegnen, aber Alex kam ihm zuvor. »Oh«, sagte er leise hinter ihr. »Sei vorsichtig mit ihm, Gwen. Er ist ein wenig zerbrechlicher, als es den Anschein hat. Und nicht alle diese Titelträger sind Schweinehunde.«
Der starrende Blick des Earls glitt über ihre Schulter.
Sie verschränkte die Arme. Jetzt war eine Entschuldigung fällig. Doch Lord Westons Lippen blieben versiegelt.
»Ich glaube nicht, dass der Earl
derart
zerbrechlich ist«, sagte sie entrüstet. »Nach meiner Auffassung, Sir, schulden Sie Alex Ihren Dank.«
»Meinen … Dank.« Er sprach es aus, als entstammten die Worte einer fremden Sprache und seien lediglich bedeutungslose Silben auf seiner Zunge.
»Ja. Er hat Ihnen einen großen Gefallen getan. Sie wurden von einem Kriminellen betrogen. Alex hat Ihnen den Beweis gebracht, damit Sie dafür sorgen können, dass dieser Mann ins Gefängnis kommt und Sie Ihr Land zurückerhalten.«
Lord Westons Augen hatten zwar fast dieselbe Farbe wie die von Alex, aber nicht annähernd dieselbe Wirkung. Als er sie jetzt weit aufriss und seine Lippen sich überrascht teilten, sah er wie ein glubschäugiger Fisch aus, der überrascht war, sich auf dem Schlachttisch des Fischers wiederzufinden.
»Mmm«, sagte Alex, nahm sie am Arm und schob die freie Hand in seine Tasche. »Ich hatte noch nicht die Gelegenheit, ihm das mitzuteilen, Gwen.«
»Oh.« Sie spürte ihre Wangen rot werden. »Das tut mir schrecklich leid.«
»Es ist ja nichts passiert«, erwiderte Alex. »Was soll ich sagen, Gerry? Der Beweis für Barringtons ungesetzliche Vorgehensweise als Gegenleistung für einen kleinen Gefallen in Form einer harmlosen Heiratslizenz.«
Lord Weston stimmte natürlich zu. Aber, so bemerkte Gwen, er machte sich nicht die Mühe, seinem Bruder dafür zu danken, dass er ihn aus den Händen eines Betrügers gerettet hatte. Familie, so schien es, war nicht immer das Idyll, das sie sich vorgestellt hatte.
Vier Tage dauerte es, die Lizenz ausgestellt zu bekommen, nachdem Lord Weston sich darum gekümmert hatte. Als Gwen jetzt an einer der Türen zum Ballsaal der Cornelyses stand, Gott sei Dank anonym hinter ihrer Maske und mit weniger als zwölf Stunden bis zum festgesetzten Termin ihrer Heirat, fragte sie sich einmal mehr, was sie hier eigentlich tat. Sie fühlte sich seltsam abgespalten von der Szene. Sie und Alex waren auf Beharren der Zwillinge hergekommen, denn kein jungvermähltes Paar würde sich – wenn es sich nicht auf der Hochzeitsreise befand – von der Londoner Saison ausschließen. Von Alex mochte man
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