Suche nicht die Suende
ja ein seltsames Benehmen erwarten, nicht jedoch von ihr. Und deshalb würden sie zu diesem Maskenball gehen, hatte Alex zu ihr gesagt.
Aber warum? Warum nur gaben sie sich mit diesen Leuten ab?
Die Maske zu tragen half vermutlich nicht dabei, sich von den anderen zu distanzieren. Sie nahm sie ab, und ließ auf der Suche nach den Ramseys den Blick über die Menschenmenge schweifen. Sofort begann man, sie anzustarren. An der einen Seite des Ballsaals zog sich eine Galerie entlang, eine Gruppe von Frauen beugte sich über das Geländer, um Gwen zu betrachten. Nicht alle diese Blicke waren boshaft, aber sie waren neugierig und sensationslüstern. In den kommenden Tagen würde es nur eines Fehltritts bedürfen, um die Stimmung gegen sie umschlagen zu lassen. Denn was jetzt wie ein romantisches Spektakel aussah, würde zu einem schäbigen Skandal der Art werden, der die Verdammnis nach sich zog, kaltes Geschnittenwerden und Rücken, die sich einem zukehrten.
Vor einem Monat noch wäre Gwen unter dem Druck einer solchen Zensur vermutlich zusammengebrochen. Jetzt aber empfand sie es höchstens noch als lästig.
Sie wollte nicht unter diesen Menschen leben.
Warum waren sie hier?
Morgen Mittag würde sie mit Alex Ramsey verheiratet sein.
Endlich sah sie ihn. Auch er hatte seine Maske abgenommen und kam direkt auf sie zu, aber noch hatte er sie nicht entdeckt. Der Anblick seines Profils, als er über die Menge hinwegsah, seine markante Nase, die gerade Haltung seines Körpers erfüllten sie mit etwas Heißem und Begehrlichem.
Ich will es.
Oh ja, das wollte sie. Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich etwas stärker gewünscht, als mit ihm verheiratet zu sein – damit sein Lachen, sein Humor, seine Klugheit, seine Wildheit, seine beschützende Art, seine Ermutigung, sein Mut und seine Entschlossenheit nach Recht und Gesetz ihr gehörten.
Aber sie glaubte nicht einen Moment lang, dass er sie liebte.
Oh, er hatte es ihr gesagt. Seine Schwestern hatten es ihr ebenfalls gesagt. Elma hatte behauptet, es schon die ganze Zeit gewusst zu haben. Sie hätte es daran bemerkt, wie er sie in unbeobachteten Momenten angesehen hätte. Unsinn. Natürlich wollte Gwen es glauben – morgen würde sie sogar so tun, als glaubte sie es. Aber sie kannte ihn zu gut. Sie kannte sein Geheimnis: Bei all seiner Herumreiserei, seiner Unabhängigkeit und seiner unorthodoxen Art nahm er seine Verantwortung doch sehr ernst. Er lieh sich sogar von anderen noch Verantwortung aus und machte sie zu seiner eigenen, einfach weil er dachte, diese Art von Dienst denen schuldig zu sein, die er liebte. Von dem Augenblick an, in dem Lady Milton sie zusammen gesehen hatte, hatte außer Frage gestanden, dass er ihr einen Antrag machen würde. Er hatte Richard versprochen, sich um sie zu kümmern. Und eine Heirat war die einzige Option, die diese Situation zugelassen hatte.
Sein Blick traf sie, und sein Gesichtsausdruck veränderte sich. Er schickte ihr ein Lächeln, das so zärtlich war, dass es ihr den Atem nahm.
Vielleicht liebte er sie ja doch.
Er kam auf sie zu. Reglos stand sie da, beobachtete ihn näher kommen. Es war schon
möglich
, dass er sie liebte. Er brauchte ihr Geld nicht. Er hatte ihre Jungfräulichkeit bekommen, ohne Versprechungen zu machen oder um etwas gebeten worden zu sein.
Er blieb nicht stehen, um die formelle Distanz einzuhalten. Er kam direkt zu ihr und legte die Hände um ihre Taille. Sie widerstand dem Drang, zur Galerie hinaufzuschauen. Alle hielten sie für verheiratet, und diese Berührungen waren bei einem Ehepaar statthaft. Das änderte nicht die Wirkung, die eine solche Geste haben konnte: Wenn er sie in spätestens einer Minute nicht losließ, würden sie einen Skandal auslösen, der so mächtig wäre, dass die Galerie unter dem Gewicht der Menschen, die sich über das Geländer beugten, vermutlich einstürzen würde.
Gwen legte die Hand auf seine. Er bedachte sie mit seinem typischen sinnlichen Lächeln. Sie wusste genau, was dieses Lächeln bedeutete. Es war sein Versprechen auf lange süße Nächte, in denen keine Schonung gewährt werden würde.
Ihre Hand schloss sich wie von selbst um seine. Wenn er sie liebte … was gäbe es dann, was sie nicht tun könnte? Was konnte die Welt ihr dann nicht bieten? Was wäre ihr dann noch unmöglich?
»Ich langweile mich entsetzlich«, sagte er. »Meinst du, wir haben genügend Zeit in diesem Fegefeuer verbracht?«
»Wir haben versprochen, das Fest nicht vor den Zwillingen zu
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