Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Suche nicht die Suende

Suche nicht die Suende

Titel: Suche nicht die Suende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
Vom Netzwerk:
Ihr Mitgefühl an mich. Ich brauche es nicht. Ich bin froh, dieses Schwein los zu sein.
Warum eigentlich nicht? Gewiss lag mehr Würde darin, für rüde als für tief unglücklich gehalten zu werden. Sie hatte sehr viel Zeit in Lady Miltons Waisenhaus verbracht; sie hatte gesehen, wie die Unglücklichen lebten, und sie hatte gesehen, mit welchem Widerwillen die anderen Ladys den Kindern dort begegnet waren. Es gab nichts Schlimmeres, als für unglücklich gehalten zu werden. Und sie war nicht unglücklich! Das Dach über
ihrem
Kopf drohte nicht einzustürzen.
    Erneut griff sie nach dem Stift, und der Glanz des Goldbandes über der Feder brachte einen Akkord in ihr zum Klingen. Gwen starrte mit gerunzelter Stirn darauf, versuchte nachzudenken –
    – und richtete sich wie vom Blitz getroffen auf. Er hatte ja noch Richards Ring! Den Ring ihres Vaters!
    Sie schlug die Hand vor den Mund. Entsetzen erfüllte sie, heiß und demütigend. Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Sie hatte eingewilligt, Thomas zu heiraten, ohne Liebe in ihrem Herzen zu fühlen, und doch hatte sie ihm ihr kostbarstes Andenken geschenkt! Selbst bei Trent war sie vorsichtiger gewesen.
    Es war unverzeihlich. Oh, wie elend ihr zumute war. Und er hatte ihn vor dem Altar getragen! Galle stieg ihr in die Kehle. Thomas hatte sich aus der Kirche davongemacht – mit ihrem Ring am Finger!
    Sie würde ihn sofort zurückfordern. Wenn er sich erdreistete, ihn zu verkaufen oder zu verpfänden, dann würde sie – sie würde die Polizei auf ihn ansetzen!
    Der Gedanke überraschte sie. Die Polizei jagte einen Viscount. Ein Lachen stieg in ihr auf. Nun, ganz so nett und lieb, wie alle dachten, war sie wohl doch nicht.
    Gwen warf einen Blick auf die Worte, die sie in ihrer Wut niedergeschrieben hatte. Man könnte meinen, ein Mann hätte sie verfasst. Ein Terrier! Ein Gedanke, der sie erneut zum Lachen brachte. Vielleicht war Boshaftigkeit ihr wahres Naturell. Schließlich – wohin hatte ihre Nettigkeit sie denn gebracht? Von
enttäuscht
zu
bemitleidenswert
, dahin hatte es sie gebracht! Mit ekligen Sabberküssen geküsst von abscheulichen Männern!
    Zum
Teufel
damit, nett zu sein! Es hatte ihr überhaupt nichts eingebracht. Und es war anstrengend gewesen! Und hier war der Beweis: Noch vor fünf Minuten hatte sie sich erschöpft gefühlt, während sie sich jetzt so fühlte, als könnte sie auf den Flur hinaushüpfen und – schreien! Nein, schreien war nicht genug. Sie fühlte sich, als könnte sie etwas
zerschlagen
!
    Sie ballte die Faust und schlug versuchsweise damit auf den Schreibtisch. Ja, sie könnte etwas zerschlagen. Sie sah sich um. Die Uhr? Nein, besser nicht, Tante Elma hing an dieser Uhr.
    Der Spiegel? Das käme ihr dann doch ein wenig zu schaurig vor. Wahnsinnige Frauen zerschlugen oft Spiegel. Diesen falschen Eindruck wollte sie nicht erwecken.
    Die Blumenvase? Ja! Ja, die
könnte
sie zerschlagen!
    Auf seinem
Kopf!
    Allein schon, sich das vorzustellen, steigerte das seltsame Hochgefühl in Gwen um das Doppelte. Es wuchs so schnell und heftig an, dass sie sich beherrschen musste, nicht laut irgendetwas herauszuschreien. Es fühlte sich wie diese Fahrt mit dem Ballon an, genau so: Alle Taue wurden gekappt, und man erhob sich plötzlich so schnell in die Luft, dass es einen schwindelte.
    Und noch etwas – sie würde diese Pullover
nicht
stricken! Lady Anne hatte das Versprechen gegeben. Sollte sie sich doch damit vergnügen! Gwen würde ihr sogar das Garn zur Verfügung stellen. Fünfzig Stränge guter Merinowolle lagen zurzeit in ihrem Ankleidezimmer und sehnten sich nach der zarten Hand der Tochter eines Earls.
    Was alles würde sie außerdem nicht tun? Himmel noch mal, der Möglichkeiten schien es verwirrend viele zu geben. All diese garstigen kleinen Gedanken, die sie bisher immer brav verdrängt hatte – warum sie nicht ein einziges Mal zu Ende denken?
    Kein Kauf mehr von Kleidern, die ihr nicht gefielen, nur weil der Ladeninhaber so traurig dreinschaute.
    Keine Teilnahme mehr an Wohltätigkeitsveranstaltungen, wenn sie den Verdacht hatte, dass die Spenden direkt in die Taschen des jeweiligen Gastgebers flossen.
    Und kein einziges Mal mehr würde sie die boshaften Andeutungen ignorieren, die hinter ihrem Rücken über ihre Herkunft gemacht wurden! Zehn Jahre ging das jetzt schon so – sie hatte genug davon!
Nun, Lady Featherstonehaugh, Sie wollen die Damen daran erinnern, dass mein Vater Apotheker war, ein ganz kleiner Ladenbesitzer? Wie nett

Weitere Kostenlose Bücher