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Suche nicht die Suende

Suche nicht die Suende

Titel: Suche nicht die Suende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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ansteckend. Gwen war so harmlos wie ein Kaninchen. »Nur heraus damit«, sagte er und begann schon, das Siegel zu brechen.
    »Nicht hier!« Sie sah sich rasch um. Jetzt machte sie fast den Eindruck, als habe sie Fieber – hellrote Flecken leuchteten auf ihren blassen Wangen, und ein seltsames Glänzen lag in ihren Augen. »Diskretion, Alex! Lass uns in die Bibliothek gehen.«
    Das seltsame Lächeln, mit dem sie ihn ansah, ehe sie auf dem Absatz kehrtmachte, ließ seinen Instinkt erneut Alarm schlagen.
    Doch er ignorierte es.
Sie ist so harmlos wie ein Kaninchen
, dachte er noch einmal und folgte ihr in die Bibliothek.

4
    Entschlossen ging Gwen den Korridor hinunter. Sie fühlte sich wie verwandelt, hatte sie doch das Gefühl, ein neues und besseres Kapitel in ihrem Leben aufzuschlagen. Neu war erstens, dass sie weit ausschritt. Zuvor war sie stets nur dahingetrieben. Und zweitens ging sie voran – und zeigte niemand Geringerem als Alex Ramsey den Weg! Alex folgte nicht jedem. Es schien ihr eine beachtliche Leistung zu sein, ähnlich der, einen Stier an seinem Nasenring zu führen.
    Als sie die Tür zur Bibliothek öffnete, spürte sie, dass sie auf dem besten Wege war, einen überwältigenden Erfolg zu erringen. Auf dem Tisch in der Mitte des Zimmers lag ein Buch über weibliche Tugenden, aus dem Elma ihr an den Abenden vorgelesen hatte, während sie gestrickt hatte. Sie würde es auf die Straße werfen! Jene Weltkarte dort an der linken Wand, die noch voller weißer Flecken war – sie würde zu jedem von ihnen reisen und ihre Eindrücke dokumentieren!
    Warum nicht? Ihr Schwindelgefühl zeigte kein Anzeichen, geringer zu werden. Vielleicht war diese Einstellung kein vorübergehender Impuls, sondern Ausdruck ihres wahren Naturells, das so lange Zeit gefesselt gewesen war: von fester Korsettschnürung und endlosem Sich-Gedanken-Machen und einer Enthaltsamkeit hinsichtlich all der vielen köstlichen Speisen, vor denen Elma sie gewarnt hatte, weil sie sie dick machen würden.
    Alex betrat die Bibliothek und bedachte sie mit einem jener kühlen Von-Kopf-bis-Fuß-Blicke, die ihr noch gestern das Gefühl gegeben hätten, als entsetzlich konventionell abgeschätzt und bewertet zu werden. Sie warf die Tür hinter sich zu. »Ich denke, wir sollten nach Scones klingeln«, sagte sie. »Und einer Riesenmenge Sahne! Ein frugaler Imbiss in der Bibliothek! Was hältst du davon?«
    Er schob die Hände in die Hosentaschen und legte den Kopf schief. »Vielleicht brauchst du etwas noch Stärkeres. Eine Dosis Laudanum etwa«, sagte er milde.
    »Oder Brandy!«, rief sie. »Ja, was für eine brillante Idee! Warum nicht?«
    Er zögerte kurz. »Bestell dir, was du willst. Ich werde mich nicht von dem Brief ablenken lassen, aber ich bin bereit zu warten.«
    Ah, das war schon eher der Ton, den sie von ihm gewohnt war: amüsiert und eine Spur herablassend. In einem solchen Ton erklärte Lady Milton den Waisenkindern, dass der Nährwert eines Essens wichtiger sei als dessen Geschmack.
    »Oh, ich wünsche dir keine Unannehmlichkeiten zu bereiten«, sagte sie süßlich. »Noch so viele Länder, die es zu besuchen gilt, so viel Profit, der gemacht werden muss! So wahnsinnig wichtige Geschäfte. Dafür verzichte ich mit Freuden auf meinen Brandy. Jetzt mach den Brief schon auf, wenn du es unbedingt willst.«
    Seine blauen Augen weiteten sich, während er die Hand auf sein Herz legte. »Sarkasmus, Miss Maudsley?«
    Sie hielt ihr Lächeln allein durch die Kraft ihres Willens aufrecht. »Ich habe keine Ahnung, was du meinst.«
    Er schüttelte den Kopf und wandte sich ab. Sie folgte ihm durch die Bibliothek und nahm nahe dem Fenster Platz, während er den Brief auseinanderfaltete und sich dann mit der Schulter gegen den Fensterrahmen lehnte.
    Seine lässige Haltung machte ihr bewusst, wie korrekt und sittsam sie dasaß. Sie versuchte, die Schultern hängen zu lassen, aber ihr Korsett ließ es nicht zu.
    Als er zu lesen begann, fiel das Licht der untergehenden Sonne auf sein Gesicht und zeichnete jeden Winkel hell nach. Sie musterte ihn, wollte sie sich doch selbst die kleinste seiner Regungen nicht entgehen lassen. Schließlich war er ein Experte in rüdem Benehmen – eine Tatsache, die ihn plötzlich ziemlich interessant machte. Zum Lehrmeister womöglich. Kannte auch er dieses wunderbare Gefühl von Freiheit, wenn man den Zwängen der Konvention entfloh?
    Seine Miene blieb enttäuschend ausdruckslos, während er las. Gwen erinnerte sich daran,

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