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Suche nicht die Suende

Suche nicht die Suende

Titel: Suche nicht die Suende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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dazu, mich zu fühlen …«
Als würde ich erstickt werden
, dachte er. »Gelangweilt«, sagte er stattdessen. »Die Städte sind voller Leben. Und Ehrgeiz.« Die Menschen zog es in die Stadt, wenn sie an eine Veränderung ihres Lebens dachten. Der einzige Reiz des Landes hingegen verharrte in Vorstellungen von Gesetztheit, Beständigkeit und Stillstand, jedenfalls soweit Alex sich erinnern konnte. Das englische Landleben kam an seine Vorstellung von einem Gefängnis nahe heran – still inmitten des Nirgendwo zu verrotten, jeden Abend mit dem Blick auf dieselbe Landschaft beim Essen zu sitzen, auf die man auch von seinem Totenbett aus blicken würde, inmitten von Menschen zu leben, die einen kannten, seit man auf die Welt gekommen war.
    Als Junge war ihm gesagt worden, dass er sich glücklich schätzen könne, sich eines solchen Schicksals zu erfreuen.
    »Ich finde, das Land ist ein eher träger Cousin der Stadt«, fuhr er fort. »Kannst du das leugnen? Wäre der Viscount nicht nach Paris gereist – wäre er stattdessen nach … Suffolk gefahren, sei ehrlich – hättest du dann eine Nacht wie diese erleben können?«
    »Natürlich nicht.« Sie schwieg und dachte nach. »Vermutlich hast du recht. Mein Zuhause ist auf dem Land. Aber ich habe nie daran gedacht, dort auch zu wohnen.«
    »Dein Zuhause? Meinst du Heaton Dale?«
    »Natürlich«, sagte sie überrascht. »Was sonst?«
    Ihm war nicht bewusst gewesen, dass sie diesen Ort als ihr Zuhause betrachtete. Es war ein monströses Haus im palladianischen Stil, dessen Bau vor fünfzehn Jahren zum Gegenstand von viel Spott vonseiten der Freunde seiner Mutter geworden war.
Der Versuch eines Emporkömmlings, sich seinen Buckingham Palast zu bauen,
hatte seine Mutter das Haus genannt.
Ich frage mich, ob Mr Maudsley auch plant, sich seine eigene Krone zu fertigen
.
    »Verbringst du viel Zeit dort?« Seit dem Tod ihrer Eltern hatte das Haus, soweit er wusste, leer gestanden. Richard hatte dort nie gewohnt. Er hatte sich über dessen Übertriebenheit mehr aufgeregt als jeder andere.
    »Oh, hin und wieder verbringe ich ein, zwei Tage dort. Ich bin niemals lange da, aber ich hatte gehofft – nun ja.« Gwen schnitt eine Grimasse. »Ich habe gerade die Gartenanlagen neu gestaltet. Trent bewunderte die Labyrinthgärten der Tudorzeit, aber Thomas bevorzugte eher den chinesischen Stil. Himmel, ich habe die gesamte hintere Rasenfläche für diesen Flegel abtragen lassen.«
    »Du hast also vorgehabt, nach der Hochzeit dort zu leben.«
    »Wo sonst?« Sie lachte leise. »Es war ja nicht so, dass meine Verlobten – keiner von beiden – ein besseres Angebot zu machen hatten. Seltsam, nicht wahr? Beide Gentlemen besaßen zwar ein Dutzend Häuser, aber kein einziges war geeignet, darin zu wohnen.«
    »Darf ich dir einen Rat geben, Gwen? Wenn du das nächste Mal vorhast zu heiraten –«
    »Oh bitte, lass uns noch nicht einmal davon sprechen.«
    »– solltest du einen Punkt besonders in Betracht ziehen«, beendete er seinen Satz. »Wähle niemanden, der nicht zumindest
ein
Dach ohne Löcher vorweisen kann.«
    »Vermutlich ist das ein guter Rat.« Leichthin schüttelte sie den Kopf. »Aber warum reden wir überhaupt darüber? Wir sind hier in Paris! Paris bei Sonnenaufgang! Warum sollte ich jetzt vom Landleben träumen, wenn ich von all dem hier umgeben bin!« Sie machte eine weit ausholende Geste und drehte sich einmal um sich selbst.
    Fast hätte Alex eine sarkastische Bemerkung gemacht. Paris war, bei all seinem Charme, eine der schmutzigsten Städte der Welt. Und der Sonnenaufgang bedeutete kein großes Wunder: Er konnte aus erster Hand bestätigen, dass er jeden Morgen stattfand.
    Aber dann strahlte ihr Gesicht auf, und Alex fühlte sein verdammtes Herz stolpern; er war dankbar, dass ihre Aufmerksamkeit nicht länger ihm galt, denn er wusste nicht, was sie in seinem Gesicht hätte sehen können, hätte sie ihn jetzt angeschaut.
    Stattdessen sah sie an ihm vorbei und drehte sich noch einmal langsam um sich selbst. Sie hielt den Kopf leicht zur Seite geneigt. Vermutlich bewunderte sie die schlafende Straße, die dunklen Fenster in den steinernen Gesichtern der gotischen und mittelalterlichen Fassaden – und den Unrat, der in den Gossen lag. Er war von irgendwelchen Wildblumen durchmischt, die durch die Risse im Pflaster der Bürgersteige sprossen. Safrangelb blühende Blumen, die einen hellen unerlaubten Pfad auf dem Trottoir bildeten, so weit das Auge blickte. Bis die Aufmerksamkeit

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