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Suche nicht die Suende

Suche nicht die Suende

Titel: Suche nicht die Suende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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formvollendete kavaliersmäßige Geste vollführte.
    Ich sollte wirklich in Lima sein
, dachte Alex und trank einen großen Schluck von seinem Brandy.
    Der Pianist schlug die ersten Töne der Melodie an. Bizet – die Habanera aus
Carmen
. Himmel noch eins. Was für eine unglückliche Wahl. Die Arie erforderte eine gewisse Derbheit, die Gwen niemals zustande bringen würde.
    Und dann begann sie zu singen.
    Das Glas an den Lippen erstarrte Alex.
    Vom allerersten Ton an war klar, warum sie ihm und allen anderen nichts von ihrem Talent verraten hatte: Ihre Stimme gehörte nicht in einen Salon.
    Tisch um Tisch breitete sich Stille aus.
    »
Quand je vous aimerai?«,
sang sie. »Wann werde ich dich lieben? Himmel, ich habe keine Ahnung. Vielleicht nie, vielleicht morgen … aber ganz gewiss nicht heute!«
    Eine seltsame Panik durchströmte ihn – der absurde Impuls, aufzustehen und zu gehen oder sich wie ein furchtsamer Junge die Ohren zuzuhalten.
    Hinter ihm ertönte ein Beifallsruf. Gwens Augenlider flatterten in zufriedener Antwort. Dann winkte sie dem Publikum zu.
    Weitere Beifallsrufe jetzt. Gott steh ihm bei, ihre Hand glitt zu ihren Röcken. Sie lupfte den Saum und ließ einen Knöchel sehen, während sie den nächsten Vers anstimmte.
    »L’amour est un oiseau rebelle … Que nul ne peut apprivoiser …«
    Als sie sich drehte, flogen ihre Röcke noch höher. Sie trug weiße Seidenstrümpfe, bestickt mit scharlachroten Blumen. Ihre Knöchel waren so schlank und fest wie die einer Cancan-Tänzerin.
    Er war überzeugt, dass er das nicht hatte wissen müssen.
    Genau genommen hatte er auch nicht wissen müssen, wie ihre Stimme klang. Sie schien sich so sinnlich um ihn zu winden, wie ihre Arme es getan hatten, drückte wie eine Handfläche gegen seine Kehle, weich und heiß und dazu bereit, ihn gleichermaßen zu streicheln wie zu würgen. In dieser Stimme lag Macht – eine Macht, die für eine behütete, unerfahrene Debütantin zu stark und zu dunkel war.
    Aber natürlich war sie gar nicht unerfahren. Wie sehr hatte er versucht, das zu vergessen: dass sie verloren und gelitten hatte, ebenso wie er selbst. Wenn ihr Lächeln so leicht kam, so war das kein Zeugnis für Oberflächlichkeit oder Unerfahrenheit, sondern eines für ihre besondere, unbeugsame Stärke.
    »Mein Gott«, stieß Barrington aus. »Wo haben Sie dieses Mädchen gefunden, de Grey? Das ist keine der üblichen Varietéstimmen.«
    Alex atmete tief ein. Oh, das Varieté mochte ein guter Anfang sein. Aber Barrington hatte recht. Eine Stimme wie ihre – so rauchig wie ein Armee-Feldlager und dazu fähig, eine sanft pikante französische Arie in eine pornografische Fantasie zu verwandeln – verdiente wahrscheinlich ein ungewöhnlicheres Ambiente. Einen Harem vielleicht.
    Oder sein Bett.
    Alex fühlte ein Lächeln auf seinen Lippen. Ja, es war besser, an so etwas zu denken – an ein Bett und nackte Haut und Schweiß. Es war klüger und sicherer, sich auf etwas zu konzentrieren, das er unter dem allgemeinen Etikett Lust einordnen konnte.
    Sie ließ die Röcke wieder fallen und drehte sich um sich selbst, die Arme wie eine Flamenco-Tänzerin hoch erhoben. Ihre Stimme klang tief und seidig.
»L’amour est enfant de bohème; Il n’a jamais, jamas connu de loi …«
    Richards Mutter war für kurze Zeit als Schauspielerin aufgetreten.
    Dies drängte sich von selbst in sein Bewusstsein. Er konnte sich zwar nicht mehr an das Gespräch erinnern, in dem er das erfahren hatte, oder an irgendwelche Details, aber er war sich sicher, dass es stimmte.
    Ein seltsames Gefühl durchströmte ihn. Jetzt sah er Gwen mit neuen Augen. Das dort auf der Bühne, das bedeutete ihr mehr als nur, ein wenig Spaß zu haben, wie sie es formuliert hatte. Sie stellte etwas zur Schau, das zu verstecken sie fast ihr ganzes Leben lang gelernt hatte.
    Seine Empfindungen schienen sich angesichts dieser Feststellung zu spalten, so sauber entzweigeteilt zu werden wie von einer scharfen Klinge.
    Er mochte Gwen eher so, wie sie gewesen war. Die Gwen, die er kannte, war lenkbar.
    Doch wie oft hatte er bereits gedacht, sie könnte so sehr viel mehr sein.
    Er räusperte sich und massierte sich das Handgelenk. Sein Puls schlug wie ein Presslufthammer.
Idiot
. Also gut, ein Bravo für Gwen – aber ihre Talente und ihr Mut hatten nichts mit ihm zu tun.
    Als der Pianist zu der Stelle überging, die eigentlich vom Opernchor gesungen wurde, hob Gwen die Hand und forderte das Publikum mit einer Geste auf

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