Suche nicht die Suende
Augenblick auf ihrem breiten Gürtel verharrte und dann auf dem Amethystanhänger verweilte, der die Drapierung von Gwens Schal an Ort und Stelle hielt.
Als sich ihre Blicke trafen, hatte sich der Mund der Frau zu einem Lächeln verzogen, das entschieden unfreundlich aussah.
»Eine von deinen?«, fragte einer der Männer am Tisch. »Komm her, Liebchen.« Er klopfte auf sein Knie.
»Nein, keine von meinen«, sagte die Dame. »Ich hab es dir doch gesagt, Alessandro. Falls Veronique nicht rechtzeitig kommt, werde ich deine Flöte für dich spielen.«
Gwen spürte Alex’ große Hand auf ihrem Rücken – nicht um sie in das Zimmer zu führen, denn er übte keinen Druck aus, sondern vielleicht einfach nur, weil er sich vergewissern wollte, dass sie nicht wankte. »Was gibt’s?«, fragte er leichthin.
Seine Berührung erinnerte Gwen an ihre Aufgabe. Der Anblick der Strumpfbänder schockierte sie nicht, trug sie selbst doch auch welche. »Ich weiß es nicht«, erwiderte sie mit einem strahlenden Lächeln. »Aber dieser Gentleman hat seine Flöte mitgebracht, und offenbar wird noch eine Flötistin kommen, um sie für ihn zu spielen. Es scheint eine sehr musikalische Gesellschaft zu werden.«
Die Bemerkung löste ein eigentümliches Schweigen aus. Die dunkelhaarige Frau starrte sie fassungslos an, während Alex einen merkwürdig klingenden Ton von sich gab, der tief aus seiner Kehle aufzusteigen schien.
Gwen hatte das plötzliche Gefühl, dass sie jetzt erröten sollte. Und dann, mit einem Mal,
wurde
sie tatsächlich rot. Sie versuchte zwar, es mit einem kessen Lächeln zu überspielen, aber das Ergebnis war wohl eher jämmerlich, denn einer der Männer beugte sich vor, die Ellbogen auf die Knie gestützt, und fragte mit einem Stirnrunzeln: »Sie sind Miss Goodrick und Mr de Grey, oder?«
»Das sind wir in der Tat«, bestätigte Alex ausdruckslos.
Der Mann strich über seinen ingwerfarbenen Oberlippenbart bis hin zu dessen dünner Spitze. »Verzeihen Sie, Sir. Die Gäste zum Abendessen befinden sich im Ostflügel.« Sein Blick glitt zu Gwen, und er bedachte sie mit einem schiefen Lächeln. »Kommen Sie danach doch zurück, wenn Sie wollen – beim Spiel ist immer auch Platz für einen mehr.«
Gwen wurde sich ganz plötzlich der Tatsache bewusst, dass das Verhältnis von Ladys zu Männern hier ein wenig zu wünschen übrig ließ.
»Werden wir«, sagte Alex und schob Gwen zurück auf den Korridor, wo er halblaut sagte: »Eine
Flötistin?
«
»Ich weiß«, entgegnete sie elend. »Ich weiß auch nicht, was ich mir dabei gedacht habe. Vermutlich ist es irgendein Codewort, ich bin mir fast sicher. Denn ich bezweifle, dass dieser Mann überhaupt eine Flöte bei sich hat.«
Alex atmete geräuschvoll ein. »Liebes, vielleicht hältst du heute Abend besser deinen Mund.«
Sein Ton war neckend, und Gwen hätte ihn fast gebeten, ihr zu erklären, was sie nicht verstanden hatte. Doch dann sah sie Barrington knapp zwei Meter vor ihnen aus einem Seitenflur kommen. Die Gelegenheit war zu günstig, um zu widerstehen. »Meinen Mund halten?«, wiederholte sie und legte verletzte Wut in ihre Stimme. »Wie kannst du es wagen, Alex? Vielleicht werde ich hier ja jemanden anders finden, der es mehr zu würdigen weiß.«
Vorhersehbar wie ein Uhrwerk mischte sich Barrington ein. »Ah, Mademoiselle, Monsieur!« Er bedachte Alex mit einem öligen Lächeln, als er hinzufügte: »Miss Goodrick, ich frage mich, ob Sie mir die Ehre erweisen werden, Sie zum Speisezimmer führen zu dürfen?«
12
Die Gäste wurden erst betrunken und dann noch betrunkener. Gwen saß an Barringtons Seite nahe dem Kopf der Tafel, vier Plätze von Alex entfernt. Anfangs hatte Alex sie nur beobachtet, um sicher zu sein, dass sie sich nicht von Barrington das Glas nachfüllen ließ. Da er den verärgerten Liebhaber spielte, hielt er gelegentliche finstere Blicke durchaus für angezeigt. Er brachte ein Starren zustande, um seinen Blicken Authentizität zu verleihen.
Doch zu der Zeit, als der fünfte Gang serviert wurde, forderten die finsteren Blicke keine besondere Anstrengung mehr von ihm. Er beachtete die hübsche italienische Comtesse zu seiner Rechten überhaupt nicht und gab wahrscheinlich sehr treffend das Bild eines düster vor sich hin brütenden eifersüchtigen Mannes ab. War Gwen eine so gute Schauspielerin oder war der Ärger, mit dem sie ihn bedachte, echt? Sie schien sich jetzt in Barringtons Berührungen geradezu hineinzulehnen, und Alex hatte es
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