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Sucht nach Leben - Geschichten von unterwegs

Sucht nach Leben - Geschichten von unterwegs

Titel: Sucht nach Leben - Geschichten von unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Altmann
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weniger konfus auf mein Herz, meine Großhirnrinde und die Festplatte meines Mac verteilt.
    Ich wäre gern jener, den der palästinensische Publizist Edward W. Said »einen Intellektuellen« nannte, »der wie ein Schiffbrüchiger mit dem Land zu leben lernt, nicht auf ihm. Nicht wie Robinson Crusoe, dem es darum ging, sein kleines Eiland zu kolonisieren, sondern eher wie Marco Polo, den niemals der Sinn für das Wunderbare verließ und der immer ein Reisender war, ein zeitweiser Gast, kein Beutemacher, kein Eroberer, kein Aggressor.«
    Kundar nannte Typen wie mich einen »no-issue-man«, einen Ohne-Ergebnis-Mann, einen eben, der nichts für die Gesellschaft geleistet hatte. Kein Haus hochgezogen, keine Großfamilie gegründet, ja nicht einen Sohn vorzeigen kann. »Leben heißt zeugen«, meinte der Dreiundzwanzigjährige. Er meinte es barsch und ungeduldig. Mit der Liebe zur deutschen Sprache hatte der junge Kerl die Liebe für schwerwiegende Gedanken verinnerlicht. Dennoch gelang uns ein heiterer Abschied, jeder mit seinen Träumen im Kopf. Kundar wollte die Einehe, die Windeln aufhängen, die lebenslangen Ratenzahlungen. Ich will die Leichtigkeit, den Swing, die schöne Nutzlosigkeit.

    BLAU SEIN UND KICHERN
    Eines Nachmittags schlenderte ich durch den El Khalili Bazar in Kairo. Verschlungen, riesig, hinter jeder zweiten Ecke lauerte eine Überraschung. Und diesmal, es war mein dritter Besuch, erwischte es mich. Denn Fahti hatte ein Auge auf mich geworfen, sogleich verriet er: »You are someone very special.« Nicht wie alle anderen wäre ich, er wüsste Bescheid: »Ich sah dich, ich kannte dich.« Fahti, das Schlitzohr, sein bravouröser Eröffnungssatz diente als erste Breitseite, um den potentiellen Kunden weichzuklopfen. Nach siebzehn Umwegen hatte er mich dorthin manövriert, wo er mich haben wollte. In seinem Box Shop , einem Sammelsurium verschieden kleiner Holzkisten.
    Sieben Golden Books lagen herum, die Odensammlung einer höchst zufriedengestellten Kundschaft. Bevor ich sie durchblättern durfte, erwähnte Fahti vertraulich, dass eine »letzte handgemachte Originalschatulle noch vorrätig wäre.« Ich blätterte und sah lauter Opfer mit letzten handgemachten Originalschatullen. Neben den Fotos standen ihre fröhlich gekritzelten Dankesschreiben. Verführer Fahti lächelte scheinheilig bescheiden. Martin A. aus Berlin gestand: »Zuerst dachte ich, mein Gott, wieder einer dieser Abzocker, aber einem Holzkästchen konnte ich dennoch nicht widerstehen. Doch jetzt kann ich echt nichts mehr schleppen.«
    Ich blieb standhaft, eisern standhaft. Obwohl Fahti alle Register zog und zu allen Mitteln griff, um mich zu versuchen. Tee gab es, die Wasserpfeife, drei Runden Hasch, ein Sonderangebot, einen Superkredit, »all creditcards accepted«, nein, »all currencies accepted«, ja zuallerletzt der bedrohliche Hinweis, dass die einzig noch verfügbare handgearbeitete Schatulle »in einer Stunde weg sein könnte«.
    Das war geschwindelt, denn um diese Zeit saß ich noch immer auf dem Sofa, jetzt blau wie Fahti vom Dattelschnaps. Zuletzt tränten uns die Augen, denn im Golden Book Number five entdeckten wir Doris L., die begeistert notiert hatte: »Viel Glück gehabt. Beim freundlichen Fahti, der auch deutsch spricht, eine letzte handgearbeitete Originalschatulle erstanden. Genau das passende Geschenk für Alf.«
    Als der englische Schriftsteller T. E. Lawrence nach seiner Zeit als Lawrence von Arabien nach Europa zurückkehrte, wurde er gefragt, was er am innigsten vermissen würde. »Die Freundschaft, die Gastfreundschaft.«

    HÖLLISCH SCHÖN
    Als ich nach Mitternacht um ein Häusereck eilte, stand ein Mann mit leprafaulen Händen im Weg, die Arme ausstreckend und »Ram, Ram« krächzend. Er zeigte sein verdorbenes Fleisch als Beweis für die Heimsuchung, die über ihn gekommen war. Und Lord Ram, sein mächtiger Gott, sollte jeden zur Übergabe von Geld überreden. Eine Straßenlampe flackerte auf das Gesicht des Krüppels. Ich brannte ein Zündholz ab und steckte ein paar Scheine zwischen seine Fingerstumpen. So dunkel waren sie.
    Mitte des 17. Jahrhunderts entstand das heutige Old Delhi. Bisher wurde keine Sprache erfunden, um den Schlund zu beschreiben. Im Red Fort, dem Wahrzeichen, ließ der Bauherr damals in die Mauern meißeln: »Gibt es ein Paradies auf Erden, dann ist es das, dann ist es das, dann ist es das.« Nicht weit davon entfernt kritzelte ein Besucher des 21. Jahrhunderts: »If there’s hell on earth,

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