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Sucht nach Leben - Geschichten von unterwegs

Sucht nach Leben - Geschichten von unterwegs

Titel: Sucht nach Leben - Geschichten von unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Altmann
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irgendwann, nach so vielen klugen, depressiv-tiefbohrenden Gedanken und heitersten Ausrutschern kam das Finale. Wir durften den »Publizisten und Elenden von Wien« splitterfasernackt sehen. Total frontal nudity , sekundenlang. Bis das Genie und sein unfassbarer Body wieder unter einem Bademantel verschwanden.
    Ergriffen verließ ich den Ort. Nie hatte ich einen Schmalen getroffen, der vorher so klug redete und sich hinterher so elegant, ja so grazil entkleidete. Der Fett-Berg stand vor uns und wir blieben sprachlos. Ja, Hermes, der Unselige, hat mich bekehrt. Das grenzenlos Blade – wienerisch für megadick – kann funkelnde Schätze bergen. Es lebe, es lebe lang!

    DIE NACHT, IN DER ICH GOTT WAR
    Schönes Reporterleben. Ein Chefredakteur schickte mich nach Vanuatu, siebzehntausend Kilometer östlich von Europa, hinter Australien, mitten in der Südsee. Der kleine Staat mit den dreiundachtzig Inseln hieß früher Neue Hebriden , wurde 1774 von James Cook »entdeckt« und anschließend zweihundert Jahre lang vom weißen Mann geschunden. Der immer die Schweine und Kühe in seinem neuen Reich zählte, nie aber die Bewohner. Weil die nicht zählten. Das Übliche. Seit Juni 1980 ist die Republik unabhängig.
    Ich sollte eine Story über das »Steuer-Paradies«, genauer, das »Steuerhinterziehungs-Paradies« Vanuatu schreiben. Wie auf den Bahamas, den Caymen Islands, wie in Liechtenstein, so kamen hier die Herrschaften mit dem dreckigen Geld vorbei, um es vor Ort lautlos und unbehelligt zu »parken«. Zinsenschwer. Bis ein Plan stand, um die Scheine zu waschen, sie erneut – jetzt »legal« – zu investieren. Noch profitabler.
    Es kam zu erstaunlichen Szenen. Ich stellte mich bei den hiesigen Banken – alle in weißer Hand – als reicher Sohnemann aus dem Westen vor, der drei Koffer Geld zu viel hatte und sie gerne woanders unterstellen würde. Diskret, bitte. Ich war fein gekleidet, trug meine beste Uhr, musste ja überzeugen. Zugegeben, einige meiner Verhandlungspartner machten sich die Mühe und fragten nach dem Woher der schweren Geldsäcke. Andere waren entgegenkommender und verschonten mich mit lästigen Fragen. Der Hilfsbereiteste unter ihnen schrieb mir säuberlich die Namen, Adressen und Telefonnummern von zwei Schweizer Bankkollegen auf. Damit ich die Einrichtung eines Nummernkontos mit ihnen besprechen. Sobald mein Hort dort verstaut wäre, könnte man ihn unbesorgt nach Vanuatu kabeln. Noch unkomplizierter wäre es natürlich, wenn ich persönlich das Übergepäck vorbeibrächte. Hier in der Bank. Klar, vorher müsste ich noch unbemerkt am deutschen Zoll vorbei. »Anyway, just think about it!«
    Ich habe nicht darüber nachgedacht. Weil ich keine überflüssigen Geldhaufen besitze und weil ich Josef traf, einen Stammeshäuptling, der in der Hauptstadt Port Vila Taxi fuhr. Als ich einstieg, hatte der Mann einen seltsam-stieren Ausdruck im Gesicht, ohne Scheu starrte er mich an. Noch bevor die Fahrt zu Ende war, lud er mich ein, sein Dorf zu besuchen. Also machten wir einen Umweg zum nächsten Reisebüro und kauften zwei Tickets. Ich zahlte und der Chief würde mich vielmals dafür entlohnen. Reporter trauen keinem, aber ihm traute ich.
    Am nächsten Morgen flogen wir mit einer windigen Propellermaschine in den Süden des Archipels, auf die Insel Tanna. Wir flogen nicht, wir sackten. Von einem Luftloch ins nächste. Mark, der Neuseeländer und einzige Pilot weit und breit, pfiff ein Liedchen und ich spürte den Achselschweiß durch mein Hemd sickern. Als wir nach fünfunddreißig Minuten auf einem hart getrampelten Feld landeten, rannten zwei Schweine die letzten Meter mit uns um die Wette. Ich stieg aus und die Polizei wartete auf mich. Woher ich käme? Wer ich sei? Warum ich käme? »Your passport, please, your ticket, please.« Nachdem sie festgestellt hatten, dass ich in einer Woche nach Paris zurückkehren würde, durfte ich die Blechhütte verlassen.
    Draußen blickte ich wieder in Josefs Augen, wir grinsten beide, jetzt wussten wir Bescheid. Sagen wir, er wusste, dass ich es wusste. Gestern Abend hatte ich noch mit ein paar Taxifahrern geredet, wollte mehr über Josef erfahren. Und die Neuigkeiten gefielen mir. Der Sechsunddreißigjährige war nebenberuflich einer der Chefs des John-Frum-Kults . Eine Bewegung, die von den weißen Herren mit Gewalt bekämpft worden war, von der heutigen Regierung wenig geliebt und vom alteingesessenen Klerus-Klüngel schwer opponiert wurde. Jemand musste die

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