Sudelbücher: Ausgesucht feine Texte mit Biss (German Edition)
unmöglich, etwas in der Weltkenntnis zu tun, alles ist so höflich ehrlich, so höflich grob und so höflich betrügerisch, dass man selten bös genug werden kann, um eine Satire zu schreiben. Die Leute verdienen immer Mitleiden. Kurz, es fehlt allem die Stärke. [F 102]
Wenn sich unsere jungen Leute gewöhnten, gegen 3 Gedichtchen für das Herz nur eins für den Kopf zu machen, so hätten wir Hoffnung, einmal im Alter einen Mann zu sehen, der Herz und Kopf hätte, die seltenste Erscheinung. Die meisten haben selten mehr Licht im Kopf, als grade nötig ist zu sehen, dass sie nichts darin haben. [F 103]
August 1776.
5. Man muss zuweilen trinken, um den Ideen, die in eines Gehirn liegen, und den Falten mehr Geschmeidigkeit zu geben und die alten Falten wieder hervorzurufen. [F 104]
Solche Leute sollten in wohl eingerichteten Staaten eine Nulle auf den Knöpfen tragen. [F 106]
Ein Buch ist ein Spiegel, wenn ein Affe hineinsieht, so kann kein Apostel herausgucken. [F 111]
Wo man bloß den Buchmenschen kennt, und in jeder Sache nur sieht, was man schon weiß. [F 112]
Lessings Geständnis, welches er Herrn Klotz tut Tom: II. Antiquarische Briefe, dass er fast für seinen gesunden Verstand zu viel gelesen habe, beweist, wie gesund sein Verstand ist. [F 113]
Wenn man ein altes Wort gebraucht, so geht es oft in dem Kanal nach dem Verstand, den das ABC-Buch gegraben hat, eine Metapher macht sich einen neuen und schlägt oft grad durch. Nutzen der Metaphern. [F 115]
Kein Charakter ist gemeiner als der von Philipp dem IIten von Spanien: Langsam ohne Klugheit, falsch, ohne jemanden zu hintergehen, und fein ohne die geringste wahre Beurteilung. So schildert ihn Hume. [F 117]
Ein Mittel, sich Ruhm zu erwerben, ist, wenn man [mit] einer gewissen Zuversicht in eine dunkle unbekannte Materie hineingeht, wohin es niemand der Mühe wert achtet, einem zu folgen, und darüber mit scheinbarem Zusammenhang räsoniert. [F 119]
Was ist eigentlich Deklamation über eine Sache? Steht sie dem Gründlichen entgegen? Oder ist sie nur das längst Bekannte und hundertmal Gesagte aufgeputzt und mit einem Anstand von Wichtigkeit vorgetragen? oder eine mit Lärm gemachte Erzählung von dem, was in mir bei Betrachtung einer Sache vorgeht, ohne den Gegenstand selbst zu erläutern? Oder ein Gemisch von allen dreien? [F 120]
10. Welches Vergnügen es ist, in einer Coquette zu sehen, wie sie sich sträubt und bäumt und wendet und nicht über die Linie hinüberwill, die die alte Frau von der jungen scheidet. Ich habe es an der Frau Baumin (Baumwoll-Marie) bemerkt. Sie arbeiten mit Reiben und Waschen, Schönpflästerchen und Reinlichkeit, mit der letztern am wirksamsten, immer dem Alter entgegen, das sie hinüberziehen will, bis sie endlich, wenn sie sehen, dass man zu glauben anfängt, sie seien schon hinüber, wirklich nachgeben und wirklich hinübergehn. [F 125]
Die Spitzbuben würden allerdings gefährlicher sein, oder es würde eine neue Art von gefährlichen Spitzbuben geben, wenn man einmal anfangen wollte, die Rechte zu studieren, um zu stehlen, als man sie studiert, um ehrliche Leute zu schützen; es muss unstreitig zur Vollkommenheit der Gesetze beitragen, wenn es Spitzbuben gibt, die sie studieren, um ihnen mit heiler Haut auszuweichen. [F 126]
Wenn ich ein deutsches Buch mit lateinischen Buchstaben gedruckt lese, so kommt es mir immer vor, als müsste ich es mir erst übersetzen, ebenso wenn ich das Buch verkehrt in die Hand nehme und lese, ein Beweis, wie sehr unsere Begriffe selbst von diesen Zeichen abhängen. [F 129]
Wenn einer ein albernes Liedchen macht, so kann ich [ihn] deswegen noch nicht beim Prorektor verklagen.[ F 130]
Er las so sehr gerne, wie er sagte, Abhandlungen vom Genie, weil er sich immer stark darnach fühlte. [F 131]
Es ist die Frage, ob man nicht, Denker zu ziehen, die Kinder alles auf das Letzte hinaus untersuchen lassen muss, selbst bis auf Eigenschaften, die nicht mehr in die Sinne fallen, als sie mit vielerlei bekannt machen. [F 133]
12. Wenige Bücher kosten soviel Zeit zu schreiben, als zu binden, und alles daran erfordert Fleiß und Sorgfalt, das Papier, das Setzen und Drucken, das Binden, nur das Verfertigen nicht. [F 134]
Vor einigen Wochen meldete sich bei mir ein Mann in Göttingen, der aus zwei Paar alten seidenen Strümpfen ein Paar neue machen konnte und seine Dienste offerierte. Wir verstehen die Kunst, aus ein paar alten Büchern ein neues zu machen. [F 135]
Es ist die
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