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Süchtig

Titel: Süchtig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Richtel
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Besaßen die Tagebuchergüsse irgendeine Beweiskraft? Ich war die verkörperte Paranoia. Das krank machende Programm, Andy Goldstein, die Andersons – alles Theorie. Und Erin? Wenn sie für die Kindles arbeitete, musste sie aussagen. Würde sie ins Gefängnis gehen, oder war sie selbst unschuldiges Opfer?
    Ich boxte mit der Faust gegen die Couch, stand auf und sprintete durch den Korridor.

    Groß konnte ihr Vorsprung nicht sein – maximal ein bis zwei Minuten. Und dann? Ich würde improvisieren und auf mein Glück setzen müssen. Und ich musste hoffen, dass Mike seine Arbeit getan hatte und nicht am Blackjack-Tisch hängen geblieben war.
    Unten angekommen, ließ ich meine Blicke über die Menge schweifen. Es war noch früh am Abend. Vom Pool kamen die letzten Schwimmer herein, während die ersten Gäste bereits ausgingen.

    »He, du Trampel! Du bist mir auf den Fuß getreten!«, schrie jemand.
    Hinter einer Gruppe jugendlicher Rotzlöffel im Bikini entdeckte ich Mike, der am oberen Ende einer prunkvollen Treppe auf Dave Elliott einbrüllte.
    Das konnte kein Zufall sein. Mike musste den Weg des Laptops verfolgt haben und versuchte, Zeit zu gewinnen. Ich ging hinter einem gut genährten Paar in Deckung, das offenbar das All-you-can-eat-Prinzip wörtlich genommen hatte. Bis ich den Treppenabsatz erreicht hatte, waren die anderen schon die Treppe hinunter. Ich sah ihnen nach. Elliott, Kindle und ihr Leibwächter hatten Mike abgeschüttelt und entfernten sich mit raschen Schritten. Der Bodyguard hielt den Laptop. Ich schlich mich von hinten an ihn heran, nahm meine ganze Kraft zusammen und packte den Computer.
    Dann rannte ich.

    Vor mir lag ein Ausgang zum Pool. Ein Fluchtweg? Weit gefehlt. Ich durfte nicht riskieren, dass mich Elliott und seine Bande allein erwischten. Ich bog nach rechts ab und folgte dem Wegweiser zum Casino. Mein Tempo missfiel einem Wachmann.
    »Hier wird nicht gerannt!«
    Bloß keine Polizei. Wenn mich die Cops in die Finger bekamen, war Annie endgültig weg. Und ohne Annie hatte ich keine Beweise.
    Ich fiel in Laufschritt, dann in schnelles Schritttempo, und warf einen Blick über die Schulter. Elliott und Kindle waren bis auf wenige Schritte an mich heran, während der Bodyguard nach links ausschwärmte.
Ich trat durch die riesigen Türen und fand mich in einem hallenartigen Casino wieder. Lichter, Klingeln, Leben, Leidenschaft, Angst. Deckung suchend, tauchte ich in die Menge ein.
    Ich mischte mich unter eine Horde junger Männer in den Zwanzigern, die lautstark eine Junggesellenparty feierten, tauchte auf der anderen Seite wieder auf und schloss mich einer Gruppe Damen mittleren Alters an, die sich durch Cowboyhüte und hautenge Westernkleidung auszeichneten. Nach einem Haken um die Black jack-Tische hielt ich auf die Spielautomaten zu. Mit einem Blick über die Schulter vergewisserte ich mich, dass weder Elliott noch Kindle in Sicht waren.
    Ich verlangsamte mein Tempo, holte tief Luft und lehnte mich gegen einen schrill klingelnden CSI: Miami- Spielautomaten. Mein Schädel hallte wider von dem Lärm. Das Atmen fiel mir schwer.
    Als ich aufsah, hatten sie mich entdeckt. Kindle und Elliott hielten von links auf mich zu, während sich der Leibwächter von rechts näherte. Elliott schüttelte den Kopf, und ich las Erleichterung und Mitleid in seinem Blick. Überall waren Lichter und Spiegel. Ich spürte, wie Tausende von Kameras von der Decke auf mich herabsahen. Mein Geruchssinn war plötzlich empfindlich wie noch nie.
    Ich ballte die Faust und presste sie auf mein Herz.
    Dann stürzte ich zu Boden.

58
    Nur am Rande bemerkt: Abgesehen von einem Krankenhaus ist ein Casino in Las Vegas der beste Ort für einen Herzanfall. Das kann Ihnen jeder Arzt bestätigen. Man wird ständig von Kameras überwacht, und die Betreiber legen nicht den geringsten Wert darauf, dass jemand über den Jordan geht. Das ist nämlich schlecht fürs Geschäft. Deswegen sind im Handumdrehen Sanitäter mit einem Defibrillator vor Ort.
    Da ich nur simulierte, brauchte ich weder Defibrillator noch Sanitäter.
    Innerhalb von Sekunden hatten mich zwei Männer und eine Frau in weißen Kitteln schützend so abgeschirmt, dass die übrigen Gäste nichts von meinem Missgeschick mitbekamen. Einer tastete nach meinem Puls, während der andere mir eine Sauerstoffmaske aufsetzen wollte.
    Ich richtete mich auf.
    »Der Aal«, lallte ich benommen. »Das Sushi war verdorben.«
    Hinter den Sanitätern sah ich Elliott und Kindle lauern.

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