Süchtig
Irgendwo entdeckte ich das Gesicht des Bodyguards. Und hinter einem Spielautomaten meinte ich, Mike zu erkennen.
Ich erzählte den Sanitätern, ich hätte den ganzen Nachmittag auf der Toilette verbracht, sei aber in der Lage aufzustehen. Sie bestanden darauf, mich zum Arzt zu bringen.
Genau, wie ich gehofft hatte.
Kindle und Elliott folgten in sicherem Abstand.
Zehn Minuten später wartete ich ein paar hundert Meter weiter in einem Untersuchungszimmer, in das mich die Sanitäter gesetzt hatten. Nachdem sie sich davon überzeugt hatten, dass ich kein akuter Notfall war, hatten sie mir versprochen, jemand werde in Kürze nach mir sehen. Ich steckte Andy Goldsteins Computer ein und fuhr ihn hoch. Der Bildschirmschoner zeigte Andy auf dem Sofa mit einer schwarzen Katze auf dem Schoß.
Für den Augenblick war ich frei, aber nun brauchte ich eine gehörige Portion Glück.
Ich spürte einen Klumpen in der Magengegend. Diesmal war es reine Aufregung. Je mehr ich über die Annie nachdachte, die ich im Hotel gesehen hatte, desto plausibler schien mir die Sache. Ihre Gelassenheit, ihre berechnende Manipulation, der kalkulierte Angriff auf ihren Vater. Die Frage war nur, wieso mir das früher alles entgangen war. Ganz tief in meinem Inneren fühlte ich mich immer noch zu ihr hingezogen. Auf Außenstehende musste ich wie ein liebeskranker Schuljunge wirken, der dem Mädchen nachtrauert, das sich in der Schulkantine vor versammelter Mannschaft über ihn mokiert hat. Hatten meine Freunde das von Anfang an erkannt? Und dennoch hoffte ich weiter. Ihre Motive waren unklar. Vielleicht war sie in einer Weise aufrichtig,
die ich noch nicht verstand. Es war eine schwache Hoffnung, aber sie hielt mich aufrecht, obwohl mich das Gefühl beschlich, eine vernichtende Niederlage erlitten zu haben.
Es dauerte nicht lange, und die Tür öffnete sich. Elliott und Kindle spazierten herein. Elliott schloss die Tür hinter sich ab und betätigte einen Schalter an der Wand. Von draußen sah es nun so aus, als würde in dem Raum eine Untersuchung stattfinden. Dann öffnete er sein Jackett, sodass ich die Narkosepistole sehen konnte.
»Okay, Sie haben gewonnen«, sagte ich. »Lassen Sie uns verhandeln.«
»So gefallen Sie mir schon besser«, lobte Elliott.
»Ich muss wissen, was mit Erin ist.«
»Sie ist gewalttätig und verbittert«, erklärte Elliott. »Die ideale Attentäterin.«
Ungeduldig erklärte er mir seine Version der Ereignisse: Unmittelbar vor der Explosion hatte Erin in ihrer Pause am Computer gearbeitet. Dann war sie zur Toilette gegangen und hatte den Lichtschalter betätigt, woraufhin das Café in die Luft geflogen war. Der Lichtschalter war der Zünder gewesen. Erin hatte überlebt, im Gegensatz zu Simon Anderson, für den sie nichts übrig gehabt hatte.
Die Polizei hatte in ihrer Wohnung Sprengstoffrückstände gefunden. Angesichts ihrer Vergangenheit als Brandstifterin sehr bedenklich.
Ich lauschte mit geschlossenen Augen.
»Sie hat das Café gar nicht wissentlich in die Luft gesprengt. Es war eine Falle.«
Dann fiel mir noch etwas ein.
»Bevor sie zur Toilette ging, saß sie am Computer. Sie haben sie programmiert. Sie haben irgendwelche sublimen Bilder eingespielt, die sie dazu gebracht haben, zur Toilette zu gehen.«
»Eigentlich wollte sie sich nur die Hände waschen. Wir haben ihr sublime Bilder von schmutzigen Händen gezeigt«, sagte Elliott. »Aber Sie glauben ja bestimmt nicht an diesen Blödsinn, dass Computer Menschen steuern können.«
Kindle murmelte etwas Unverständliches.
»Unmöglich«, sagte ich. »Sie haben völlig Recht, das kann ich nicht glauben. Ein Computer kann keine Emotionen oder Handlungen auslösen. Das ist doch alles aus der Luft gegriffen. Reiner Blödsinn.«
Elliott seufzte entnervt. »Wie wär’s, wenn Sie mal Ihr Gehirn einschalten und mit dieser Gefühlsduselei aufhören? Das ist doch nicht so schwer. Man schickt nicht wahrnehmbare elektrische Signale über die Tastatur. Dadurch werden die Nervenenden mit einer Frequenz stimuliert, die auf das Lustzentrum im Gehirn einwirkt. Diese Methode koppelt man mit sublimer Werbung. Individuelle, lebendige Bilder, mit denen die Sinne permanent bombardiert werden, ohne dass es jemand merkt. Wenn Sie am Computer sitzen, konzentrieren Sie sich voll auf den Bildschirm. Die Botschaften erreichen daher direkt das Gehirn. In Verbindung mit den körperlichen Empfindungen ergibt sich eine enorm wirkungsvolle Suggestion. Um das zu verstehen,
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