Süchtig
klareres Bild von ihr bekommen. Das ist immer so.«
Nachdem Weller weggefahren war, stellte ich mir die alles entscheidende Frage: War es denkbar, dass Erin das Café in die Luft gesprengt hatte?
Ich hatte keine Neigung zur Gewalttätigkeit bei ihr entdecken können, aber sie war immerhin dem FBI aufgefallen. Diese feige Hinterhältigkeit passte trotzdem nicht zu ihr.
Es sei denn …
In Simon Andersons Haus war ein Feuer ausgebrochen, das möglicherweise von einer Elektrikerin gelegt worden war. Brandstiftung. Explosion. Feuer.
Aber wenn mich mein Instinkt nicht trog und sie sauber war, was sollte ich dann von Weller halten? Warum schwärzte er sie an?
Vielleicht gab es noch eine dritte Möglichkeit: Erin und Weller waren beide in Ordnung. Weller erforschte die verschiedenen Möglichkeiten und informierte mich über relevantes Beweismaterial, Erin stand auf meiner Seite, hatte mir aber einfach nicht alles über sich erzählt.
Vielleicht war es ein Zufall. Das schien durchaus plausibel, wenn ich bedachte, was ich über die beiden wusste. In diesem Augenblick rief Erin an. Ich ließ die Mobilbox antworten.
Dann begab ich mich auf schnellstem Weg ins nächste Internetcafé – die öffentliche Bibliothek unserer Tage. Ich tippte die Schlüsselwörter Erin Coultran, Michigan, East Lansing, Brandstiftung und Prozess in verschiedenen Kombinationen ein. Erfolglos. Bei den meisten Zeitungen gibt es keine Online-Archive, oder sie sind noch im Aufbau. Ich fand einen kurzen Hinweis auf das Ende von Romp Studios. In einem Artikel auf der Website eines Pornomagazins wurde das Feuer als Beispiel für die Anti-Porno-Kampagne Ende der Neunzigerjahre erwähnt.
Dann überprüfte ich Danny Weller. Ich fand eine Handvoll Berichte über seinen Kampf gegen das Verbrechen. Auch im Zusammenhang mit der Bankräuberin in Spitzenstrümpfen wurde sein Name genannt. Er wurde nur nebenbei erwähnt, aber für seinen Einsatz gelobt. Eine kurze Notiz in einer Kolumne des Examiner sprach davon, dass Weller und sein Juniorpartner, Officer Velarde, einem Parallelteam zur Überwachung der Mordkommissionen zugewiesen worden waren. Es stimmte alles mit dem überein, was er mir erzählt hatte.
Schließlich rief ich meine E-Mails ab. Kevin, mein Redakteur, hatte mir drei Nachrichten geschrieben. Die dritte bestand nur aus der Betreffzeile: »Was ist los?«
In meinem zweiten Jahr an der Highschool hatte
unser Hund meine Facharbeit gefressen, einen sechsseitigen Aufsatz über Die rote Tapferkeitsmedaille. Ich hatte die Arbeit unter ein helles Fenster gelegt und ein Sandwich mit Erdnussbutter und Honig oben drauf. In der Sonne schmolz alles, und der Hund verputzte die ganze Chose. Der Lehrer glaubte mir kein Wort. Das hätte mir eine Lehre sein sollen, mir bessere Ausreden einfallen zu lassen.
Meine Handy-Story war am Nachmittag fällig. »Der Anschlag auf das Café hat meinen Artikel gefressen« würde nicht reichen. »Sitze an der Endkorrektur«, lautete meine Betreffzeile.
Damit würde er sich nicht lange zufrieden geben, aber im Augenblick hatte ich dringendere Probleme. Zum Beispiel den stechenden Schmerz in meinem Rücken, der sich anfühlte, als würde eine Football-Mannschaft auf meiner Wirbelsäule trainieren. Der Zeitanzeige meines Handys zufolge saß ich bereits seit anderthalb Stunden in dem Café. Wenn ich es rechtzeitig zum Stanford Technology Research Center schaffen wollte, würde ich wieder auf die Tube drücken müssen.
Auf der Fahrt nach Palo Alto rief Erin zweimal an, aber ich ließ die Anrufe zur Mobilbox gehen. In Kürze würde ich erfahren, was sich in dem Laptop verbarg. Warum interessierte sie sich so dafür?
27
In Mikes Büro herrschte peinliche Ordnung. Alles war sorgfältig gestapelt, sortiert und abgestaubt. Auf seinem Schreibtisch lagen fünf genau gleich lange Bleistifte in einer Reihe. Mike selbst, der in Stanford Linebacker gewesen war, wirkte in dieser Umgebung geradezu fehl am Platz. Infolge der unsanften Berührung mit gegnerischen Helmen hatte er eine Arthritis entwickelt, die zu einer leichten, aber für jeden Fachmann sichtbaren Verkrümmung des Ellbogens geführt hatte. Beim Tippen auf der Computertastatur zwang ihn der Schmerz in seinem linken Arm, die Buchstaben einzeln mit dem Zeigefinger anzuschlagen.
An der Wand hingen zwei Poster. Eines davon zeigte Douglas Engelbart, den Mann, dem die benutzerfreundliche Erfindung der Computermaus zugeschrieben wird. Engelbart war Vorbild für Menschen, die Bits
Weitere Kostenlose Bücher