Süchtig
das Programm reingekommen?«
»Alter, ein bisschen was kannst du einem alten Hasen wie mir schon zutrauen. Aber nur ein bisschen was«, setzte er mit einem Lächeln hinzu.
Ich wartete auf die Pointe.
»Die Verschlüsselung habe ich nicht geknackt, aber ich habe die Signatur des Programmierers.«
»Seine Identität?«
»Das ist eine Art Impressum, das an das Programm drangehängt wird und Informationen über den Urheber oder die Firma liefert.«
Ich nickte.
»Ich habe es ausgedruckt«, sagte er. »Meistens ist es irgendeine Fachsprache oder ein Geheimname. Furchtbar viel verrät es einem also nicht. Das scheint auch hier der Fall zu sein.«
Er faltete das Papier auseinander. Als ich den Namen las, spürte ich, wie sich das dünne Band, das mich noch in der Realität hielt, in Nichts auflöste.
28
Vor achtundvierzig Stunden, bevor die Welt um mich herum explodierte, hatte mir eine Frau eine Nachricht zugesteckt, die mir das Leben retten sollte und offenbar in der Handschrift meiner großen Liebe verfasst war. Bisher hatte ich keine Erklärung dafür gefunden.
Vielleicht hatte ich mir das Ganze nur eingebildet, vielleicht war es gar nicht ihre Handschrift gewesen. Oder ich hatte einen Geist gesehen – ein Gespenst, das einen roten Saab fuhr. Bis zu jenem Augenblick hatte ich keinen Grund gehabt, einer dieser Theorien den Vorzug vor der anderen zu geben.
»Ich bin schon lange hier im Valley«, sagte Mike und deutete mit dem Zeigefinger auf die Worte. »Davon habe ich noch nie gehört.«
Ich schon. Ich kannte den Namen gut und wusste genau, was er bedeutete. Der Name auf dem Papier, der Name der Firma oder Person oder des Geistes, der oder die das Verschlüsselungsprogramm auf Andy Goldsteins Rechner geschrieben hatte.
Strawberry Labs.
Strawberry hatte der Hund geheißen, den Annie als Kind besessen hatte. Ihr Labrador.
Die Vergangenheit hatte mich eingeholt.
29
Nach Annies Tod hatte ich mich vorübergehend um Strawberry Two gekümmert, den Labrador, den Annie nach ihrem ersten Hund genannt hatte. Aber meine Wohnung war zu klein, und der Hund erbrach sich ständig. Schließlich gab ich ihn schweren Herzens zur Adoption frei. Ich tat so, als wäre das ein symbolischer Akt, der mir half, über Annies Tod hinwegzukommen, aber so einfach lagen die Dinge nicht.
Durch Annies Tod kam ich auf den Gedanken, einen Artikel über die Neurologie der Trauer zu verfassen. Wissenschaftler hatten begonnen, mithilfe von Magnetic Resonance Imaging die Teile des Gehirns zu identifizieren, die für die verschiedenen Emotionen zuständig sind. Sie zeichneten in Echtzeit die Reaktionen bei unterschiedlichen Gedanken, Gefühlen und Erinnerungen auf. Bei den Studien sollte ermittelt werden, ob und in welchem Ausmaß Trauer vom limbischen System ausgeht, in dem die Emotionen angesiedelt sind, oder vom Hippocampus, wo die Erinnerungen entstehen. Es war eine Untersuchung der Neurobiologie unserer Beziehungen im Anfangsstadium. Konnten wir den Schmerz des Verlusts lindern, wenn es uns gelang, seinen Ursprung zu ermitteln?
Überall wurde ich mit Annies Tod konfrontiert. Manche dieser Erfahrungen hätte ich mir nicht träumen lassen. Eines Tages klopften zwei Männer im Anzug an meine Tür, die sich als Steuerfahnder vorstellten und mir ein paar Routinefragen stellen wollten. Sie erkundigten sich nach meinem Beschäftigungsstatus, wobei sie vor allem wissen wollten, ob ich je für Kindle Investment Partners tätig gewesen sei.
»Nein, ich bin ein Ex.«
»Exmitarbeiter?«
»Exlebensgefährte.«
Ich erzählte ihnen, ich sei ein gutes Jahr mit Annie zusammen gewesen, und lieferte eine Kurzfassung der Ereignisse, die zu ihrem Tod geführt hatten.
»Herzliches Beileid«, sagte der Größere der beiden. »Sie waren also nie beruflich für sie tätig?«
Ich erklärte den beiden, dass ich Medizin studiert hatte und dabei war, mich als freiberuflicher Journalist zu versuchen. Der Größere schnitt mir das Wort ab.
»Nur noch eine letzte Frage. Waren Sie mit Miss Kindle in New York?«
Ich spürte einen schmerzlichen Stich. Das Empire State Building. Der Kuss. Ich nickte.
»Und Sie haben weder für Kindle noch für Vestige gearbeitet? Hatten Sie etwas mit der Buchhaltung des Unternehmens zu tun?«
Vestige. So hieß die Firma, die wir in New York aufgesucht hatten. Eines der Start-up-Unternehmen von Kindle Investment Partners. Ich versicherte ihnen, dass ich für keine der beiden Firmen je tätig gewesen war.
»Haben Sie bei Ihrem
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