Südafrika. Einmal Kap und zurück (Erlebnis südliches Afrika: Reisen in der Republik Südafrika, in Namibia, Zimbabwe, Botswana und Swaziland) (German Edition)
Doch wir bereuen es nicht, den Aufstieg zu Fuß angetreten zu haben. Bei diesem Superwetter stehen die Touristen etwa drei Stunden an der Talstation der Tafelberg-Bahn an. Dann sind wir im Schweiße des Angesichts und der Füße oben angekommen: Diese Aussicht! Klar bis an den Horizont. Die Stadt, der Hafen, die sich zu den Bergen hinziehenden, schachbrettförmig und grau in grau angeordneten Vororte, von Fernstraßen durchschnitten. Aber auch der Ausblick auf die Gebirgskette der Kaphalbinsel im Süden, sozusagen die Verlängerung des Tafelberges, und die weit geschwungene False Bay, die einen schon zum Indischen Ozean, die anderen noch zum Atlantik zählen.
Nachdem sich der Atemrhythmus wieder etwas beruhigt hat, wandern wir auf dem tischebenen Bergplateau zum anderen Ende, wo auch die Bergstation der Bahn steht. Es wimmelt von Menschen hier, die es geschafft haben, einen Stehplatz in der Seilbahn zu bekommen. Wenige steigen zu Fuß auf den Berg. Für 7 Minuten Fahrt stehen sie drei Stunden und mehr an. Übrigens: Die Bergstation liegt auf 1067 m über dem Hafen. Die Seilbahn wurde im Oktober 1929 erbaut. Zuvor war der Tafelberg den Wanderern überlassen - paradiesische Zustände!
Biologen haben mehr als 1400 verschiedene Pflanzenarten auf dem Tafelberg gezählt. Die Touristen, glücklich, endlich auf dem Berg angekommen zu sein, verlassen aber die gut ausgeschilderten drei Wanderwege auf dem Gipfel und treten die Pflanzen zu Brei, um entweder an einer ungewöhnlichen Stelle ein Foto zu machen oder aus einem mitgebrachten Picknickkorb zu essen: Ganz Vornehme trinken gekühlten Sekt aus richtigen Sektgläsern. Doch die Pflanzen, die es hier oben nicht leicht haben, tragen die Last und verschwinden immer mehr unter den Fußtritten der unbekümmerten Touristen.
Feuchtigkeit erhalten die Pflanzen von dem schon erwähnten „Tablecloth“ (Tischtuch), einer flachen Wolkenschicht, die in den Sommermonaten oft den Berg bedeckt. Starke sommerliche Südwinde nehmen auf dem Weg über das Meer und die False Bay Feuchtigkeit auf. Diese steigt am Gebirge der Halbinsel auf und kondensiert in kühler Höhe zu weißen Wolken. Auf dem flachen Tafelberg, der höchsten Erhebung, breiten sie sich aus und fallen über die Kanten wie ein Tischtuch herab. Sobald sie wärmere Luftschichten erreichen, lösen sich die Wolken auf.
Dassies, auch Klippschliefer genannt (eine Art großes Meerschweinchen), huschen zwischen den die Aussicht genießenden Touristen herum. Sie betteln ungeniert um Nahrung, und wenn einer sie mit dem Fuß auf die Seite schieben will, um sich den Weg freizumachen, fauchen sie wild. Anscheinend sind sie auf eine ganz besondere Art von Erdnüssen spezialisiert, die ihnen Kinder und Erwachsene immer wieder vorlegen. Jenseits der die Aussichtsterrasse abschließenden Steinmauer liegen vor dem Abgrund einige Felsen, auf denen sich ganze Dassie-Familien sonnen.
Zeit zur Rückkehr. Wir schlendern zu Bergstation, wo wir ein Ticket für die Talfahrt kaufen wollen. Oh Schreck! Schon wieder! Wir können es kaum fassen, doch nach einiger Überlegung dämmert uns die grausame Logik des Geschehens, das sich vor uns abspielt: Eine Riesenschlange von Menschen, die alle nichts anderes vorhaben, als von oben nach unten zu gelangen, und zwar auf die bequemste Art und Weise!
„Nicht mit mir!“ Jetzt kommt bei mir der schwäbische Dickschädel durch. „Wartet nur, wir werden schon sehen, wer schneller unten ist!“ Mit diesen trotzigen Worten lasse ich meine Reisebegleitung, die mir viel Spaß wünscht, wartend in der Schlange stehen und schreite zügig über das Hochplateau zur Platteklip- Schlucht zurück.
Mittlerweile ist die Sonne ein gutes Stück weiter gezogen, ein Teil der Schlucht liegt im Schatten. Das freut mich, muss ich doch so nicht in der prallen Sonne nach unten steigen. Ein erfrischender Wind bläst durch die Schlucht, während ab und zu neben dem Geschrei von Raubvögeln das Gebrumme des Touristenhubschraubers von Kapstadt zu hören ist, dessen Insassen es vorziehen, durch Glasscheiben und gleichsam antiseptisch die malerische Szenerie zu genießen.
Zwei junge Männer kommen mir schwer atmend entgegen, als ich von Stein zu Stein mit beträchtlichem Tempo (sehr anstrengend, weil man sehr aufpassen muss, dass man nicht daneben tritt) nach unten hüpfe. „Eineinhalb Stunden standen wir nun schon an der Seilbahn an. In dieser Zeit ist es keinen Schritt vorwärts gegangen. Da haben wir beschlossen, zu Fuß auf den
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