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Süden und das Geheimnis der Königin

Süden und das Geheimnis der Königin

Titel: Süden und das Geheimnis der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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der erste Mensch, der sich nach so langer Zeit genau an ihn erinnern kann«, sagte ich.
    »Herr Kommissar«, sagte sie.
    »Sie wollen vielleicht auch charmant sein, aber so ganz klappt das nicht, nehmen Sie mir das nicht übel. Nach so langer Zeit! Das ist jetzt genau einen Monat her, dass er da war. Ich bin zwar schon achtundachtzig, aber für einen Monat reicht mein Gedächtnis schon noch, da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen, Herr Kommissar.«
    »Entschuldigen Sie, Frau Veilchen«, sagte ich.
    »Schon gut. Was ist denn mit dem?« Ich bat sie nachzusehen, wann genau Severino Aroppa in der »Pension Waltraud« gewohnt hatte.
    »Da steht’s«, sagte sie.
    »Vom zwanzigsten bis siebenundzwanzigsten April war er da, genau sieben Tage.«
    »Hat er gesagt, was er in München vorhatte?«
    »Alte Freunde treffen, hat er gesagt. Er hat sehr gut deutsch gesprochen. Sonst hat er nicht viel geredet. Dann hat er noch gesagt, er war früher schon mal da, vor über zehn Jahren, und da ist er mir dann sogar wieder eingefallen. Auf den ersten Blick hätt ich ihn nicht wiedererkannt. Die Jahre halt. Außerdem hat er gesagt, er war auch im Winter schon mal da…«
    »In welchem Winter?«
    »Im letzten halt. Vor Weihnachten. Aber da war ich nicht da, da war ich drei Wochen krank, da hat meine Schwester die Gäste versorgt, die Waltraud. Nach der ist die Pension benannt, weil eine ›Pension Stefanie‹ hat’s damals schon gegeben, vor sechzig Jahren, als wir angefangen haben.«
    »Könnte ich mit Ihrer Schwester sprechen, Frau Veilchen?«, sagte ich.
    »Das wird schwierig«, sagte sie.
    »Die Trude ist am elften Januar gestorben. Grad, dass ich wieder richtig auf den Beinen war.«
    »Herzliches Beileid nachträglich.«
    »Dankschön. Sie war vierundneunzig. Lungenentzündung. Mal schauen, wie weit ich komm. Also, der Herr…« Sie sah in das dicke vergilbte Buch.
    »Der Herr Aroppa, der war da, ja…«
    »Hat er Ihnen gesagt, wohin er von München aus wollte?«
    »Durch Deutschland«, sagte Frau Veilchen.
    »Urlaub wollt er machen, durch Deutschland, er hat unser Land recht gelobt, das war fast ein bisschen übercharmant. So viel Lob hat unser Land auch wieder nicht nötig, oder? In Italien ist es doch auch schön.«
    »Hat er den Namen Francesco Grosso erwähnt?«, fragte ich.
    »Ich glaub nicht. Er hat nur Freunde gesagt, dass er Freunde besuchen will.«
    »Hat er sie denn besucht?«
    »Hab ich ihn auch gefragt. Er hat ja gesagt, aber er hat ein bisschen geschwindelt. Ich frag nicht nach. Neugier ist schlecht fürs Geschäft. Was ist denn jetzt mit dem?«
    »Er ist der Verwandte eines Mannes, der gestorben ist und den niemand vermisst«, sagte ich.
    »Das geht mir auch mal so. Wenn ich sterb, vermisst mich auch niemand. Das ist doch sowieso bloß ein Stress, wenn man die ganze Zeit jemand vermissen muss.«
    »Sie werden bestimmt vermisst, Frau Veilchen«, sagte ich.
    »Ja, freilich«, sagte sie.
    »Vom Finanzamt vielleicht.«
    Mit Hilfe der Dolmetscherin gelang es mir, die Kollegen in Udine dazu zu bringen, Severino Aroppa nach seinen Reiserouten durch Deutschland zu fragen. Demnach war er im Lauf der vergangenen Monate mehrmals unterwegs gewesen, anscheinend nicht nur in Deutschland. Im Dezember sei er von München aus zuerst nach Augsburg und dann weiter in den Norden gereist, mit Stationen in Pirmasens, Dortmund, Hannover und Hamburg. Auf die Frage, was er dort getan habe, erhielt ich zur Antwort: Er habe Urlaub gemacht. Was genau er im April in München getan hat, wussten meine Kollegen nicht, versicherten mir aber, sie würden sich erkundigen. Mit Aroppa persönlich zu sprechen, sei nicht möglich, da er zur Zeit mit Grippe im Bett liege.
    Ich schickte die Fotos und ein Blatt mit Informationen an die Dezernate der von Aroppa genannten Städte, erhielt aber keine nützlichen Informationen. Auch in Pirmasens, der Stadt, aus der die Familie Roos stammte, konnte mir niemand weiterhelfen.
    Wenn Aroppa im vergangenen Dezember in München war, bedeutete das, er könnte seinen Vetter noch getroffen haben. Nach Angaben des Pathologen starb Grosso vor drei bis fünf Monaten. Hatten die beiden über die Jahre hinweg Kontakt? Wusste Grosso, wo Soraya sich aufhielt? Oder aufhält? Was wollte Aroppa dann später zwischen dem zwanzigsten und siebenundzwanzigsten April in der Stadt? Das würde heißen, er war nur drei Tage, bevor die Leiche seines Vetters entdeckt wurde, abgereist. Welche Schlüsse mussten wir daraus ziehen? Die

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