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Süden und das Geheimnis der Königin

Süden und das Geheimnis der Königin

Titel: Süden und das Geheimnis der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Kollegen versprachen uns sofort zu informieren, wenn Aroppa zurückgekehrt sei. In der Zwischenzeit kehrte zumindest Karl Funkel aus seinem Urlaub zurück, und ich erklärte ihm die Notwendigkeit einer Dienstfahrt ins Friaul.
    »Warum hat Volker den Antrag nicht unterschrieben?«, fragte er.
    Ich sagte nichts darauf.
    Funkel stopfte sich eine Pfeife, zündete sie an und behielt sie im Mund, während er sein dunkelrotes Sakko auszog und es auf einen Bügel an die Außenseite einer Schranktür hängte.
    »Wo warst du?«, fragte ich.
    »In Irland. Ich musste noch einmal hin. Ich glaube, das war gut, jetzt habe ich die Sache überwunden.« Die Sache war seine Beziehung zu Sonja Feyerabend, mit der er zusammengewohnt und der er einen Heiratsantrag gemacht hatte. In ihrem letzten Urlaub auf der grünen Insel zerstritten sie sich allerdings unrettbar, und ihre Liebe zerschellte an ihren Herzfelsen. Sie lösten die Altbauwohnung in der Elisabethstraße auf, und Sonja zog in den Norden der Stadt, nach Milbertshofen, während Funkel in Schwabing blieb. Er fand eine kleine Wohnung in der Nähe des Josephsplatzes, unweit der Kirche, in die er jeden Sonntag ging.
    »Ich hab alte Klöster besichtigt«, sagte er.
    »Ich hab wenig gesprochen, das war die beste Erholung. Woran arbeitest du?«
    Ich berichtete vom Toten aus der Bruchbude und den Türen, die sich im Lauf der Ermittlungen auftaten und wieder schlossen, wenn man es genau nahm. Auch von Emanuel Roos erzählte ich ihm, ausführlich und langsam, als prüfte ich dabei meine eigenen Reaktionen.
    »Ganz gleich, wie lange wir diese Arbeit tun«, sagte Funkel.
    »Wir wissen immer noch viel zu wenig. Und es gab damals keinerlei Hinweise auf Inzest?«
    »Nein«, sagte ich.
    »An das Wort habe ich noch gar nicht gedacht.«
    »An welches Wort?«
    »Inzest.«
    »Wie würdest du das sonst nennen, was in dieser Familie passiert ist?«, fragte Funkel und klopfte den Inhalt der Pfeife in den großen runden Glasaschenbecher.
    »Liebe«, sagte ich.
    Länger, als es nötig war, klopfte er mit dem Pfeifenkopf gegen das Glas, legte die Pfeife dann auf ein silbernes Tablett zu den Streichhölzern und dem Tabak und kratzte sich an der Oberkante seiner schwarzen Augenklappe.
    Funkel war auf dem linken Auge blind, seitdem ein drogensüchtiger Dealer bei der Festnahme auf ihn eingestochen hatte.
    »Liebe«, sagte er und dachte lange nach.
    »Besser, du behältst diese Einschätzung für dich.«
    »Warum?«, fragte ich.
    »Für die meisten Menschen ist Liebe etwas anderes.«
    »Du glaubst an Gott«, sagte ich.
    »Was ist Liebe für Gott?«
    »Das hab ich bis heute nicht verstanden«, sagte Funkel.
    »Aber du betest regelmäßig zu ihm.«
    »Wie du weißt, antwortet er nicht.«
    »Wir sind nicht Gott«, sagte ich.
    »Von uns erwarten die Leute, dass wir antworten.«
    »Behalt deine Meinung über Emanuel Roos trotzdem für dich!«
    »Nein«, sagte ich.
    »Das werde ich nicht tun.«
    Bevor wir keine neuen Nachrichten über Severino Aroppa erhielten, konnten wir nicht aufbrechen, ohne damit rechnen zu müssen, bei den italienischen Kollegen auf vollkommenes Unverständnis zu stoßen. Vielleicht hatten sie Interesse an dem seltsamen Fall, vielleicht, was wahrscheinlicher war, verstanden sie nicht, warum wir uns über den tragischen Tod von Francesco Grosso hinaus mit seinem Leben in der Vergangenheit und der Rolle seines Vetters dabei beschäftigten.
    »Welche Rolle spielt dieser Aroppa?«, fragte Sonja Feyerabend, um etwas Abstand zu der Gebauer-Vermissung zu bekommen.
    »Vermutlich ist er der Italiener«, sagte ich.
    »Dann muss ihn jemand kennen«, sagte sie nüchtern.
    »Offenbar nicht«, sagte ich.
    »Das ist unmöglich. Haben Sie ein Foto von ihm?« Die Kollegen aus Udine hatten uns noch keines übermittelt, obwohl Freya Epp bereits dreimal darum gebeten hatte.
    »Ich hab gehört, Sie haben noch mal mit dem Vater der Verschwundenen gesprochen?«
    »Ja«, sagte ich. Und dann erschreckte mich der Gedanke, Sonja könne mich in eine Diskussion verwickeln, und ich ahnte, sie würde meine Bewertung nicht im mindesten teilen, geschweige denn gutheißen. Und ich sagte: »Er hat uns damals in manchen Dingen angelogen, aber ich glaube ihm, dass er nicht weiß, was mit seiner Tochter geschehen ist.«
    »Ich hab gehört, es ging auch um Missbrauch?«, sagte sie und biss sich auf die Unterlippe, was, wie mir Funkel verraten hatte, ein Signal drohenden Unheils sein konnte.
    »Ich möchte nicht darüber

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