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Süden und der glückliche Winkel

Süden und der glückliche Winkel

Titel: Süden und der glückliche Winkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Frau gefragt? Geht Sie das was an?«
    »Gehen Sie nie zu einem Urologen?«
    »Nein«, sagte ich.
    »Das sollten Sie aber tun. Die Vorsorgeuntersuchung ist sehr wichtig, das müssen Sie doch wissen als Polizist.«
    »Was hat mein Beruf mit meiner Prostata zu tun?«, sagte ich.
    Rath betrachtete mich kritisch. »Haben Sie keine Angst vor Krebs?«
    »Doch«, sagte ich.
    »Lassen wir das besser«, sagte er, überfuhr mich noch einmal mit einem vermutlich medizinischen Blick und sah aus dem Fenster. »Herr Korbinian ist ein langjähriger Patient, ich frage ihn selbstverständlich nach seiner privaten Situation. Und da erklärte er mir, er würde nicht mehr mit seiner Frau schlafen, weil er offensichtlich impotent sei, seine Frau habe Verständnis dafür.«
    »Sie hat Verständnis, dass er impotent ist?«, sagte ich.
    »Herr Süden!«, sagte Rath missgestimmt.
    Vielleicht lag es an der Hitze. »Entschuldigung«, sagte ich.
    »Das Thema ist Ihnen unangenehm«, sagte Rath. »Das hab ich gleich gemerkt, als Sie damit angefangen haben.«
    »Es ist ein Thema, bei dem ich mich nicht auskenne«, sagte ich.
    »Glück gehabt!«, sagte Rath und ging zum Schreibtisch, ohne die Tasse mitzunehmen. »Laut Schätzungen haben wir rund acht Millionen Männer in Deutschland, die schwer darunter leiden, sie kriegen keinen hoch, ansonsten sind sie kerngesund. Außer seelisch wahrscheinlich.«
    Er setzte sich und warf einen Blick auf seinen Kalender.
    »Haben Sie ihm Heilungsvorschläge unterbreitet?«, sagte ich.
    »Ich hab ihm angeboten, Sildenafil zu verschreiben.«
    »Was ist das?«
    »Sie können auch Viagra dazu sagen.«
    »Und Korbinian hat abgelehnt«, sagte ich.
    Rath spielte mit einem roten Füllfederhalter. »Er meinte, so eine Pille sei auf jeden Fall praktischer als Nashornhörner zu pulverisieren oder die Genitalien von Gorillas zu trocknen. Ich war überrascht, das ist nämlich nicht seine Art, witzig zu sein.«
    »Er hatte sich also schon erkundigt.«
    »Anscheinend.«
    »Haben Sie Kontakt mit seiner Frau aufgenommen?«
    »Herr Süden«, sagte Rath. »Ich spreche mit meinen Patienten, weil ich ihnen helfen will, ich spioniere sie nicht aus.«
    »Sie haben also nicht mit Frau Korbinian gesprochen.«
    »Nein.«
    »Und mit ihm? Haben Sie noch einmal mit ihm über dieses Thema gesprochen?«
    »Er war seitdem nicht mehr hier.«
    »Wann war dieser Termin?«
    »Ende letzten Jahres«, sagte Rath. »Ich muss jetzt wirklich weitermachen. Waren Sie eigentlich zu lang in der Sonne?«
    »Es tut mir Leid«, sagte ich, »wenn meine Fragen so auf Sie gewirkt haben.«
    »Das mein ich nicht«, sagte Rath. »Ihre Stirn…« Er zeigte mit dem Füller auf mein Gesicht. »Starke Rötungen, Sie müssen aufpassen mit Ihrer hellen Haut.«
    »Ich vergesse immer, mich im Biergarten einzucremen«, sagte ich.
    Rath nickte in Richtung Tür. Sollte ich je die Möglichkeit eines Besuchs bei einem Urologen in Erwägung ziehen, käme Dr. Nikolaus Rath auf jeden Fall in die engere Wahl.
    Zwischen zwölf Uhr dreißig und dreizehn Uhr dreißig befragten wir etwa hundert Personen rund um den Biergarten auf dem Viktualienmarkt und zeigten ihnen Korbinians Foto. Manche schauten eine Zeit lang hin, überlegten, diskutierten mit ihrem Mann, ihrer Frau, schüttelten den Kopf, wollten wissen, was geschehen war. Kein Mensch erinnerte sich an den Postler.
    »Ein Unsichtbarer«, sagte Martin.
    Wir schwitzten. Auf den langen Holztischen unter den Kastanien schimmerte in provokativer Frische Bier in Gläsern und Maßkrügen, selige Trinker prosteten uns zu, denn es war immer von neuem erstaunlich, wie rasch sich sogar in einem Biergarten voller Fremder die Anwesenheit von Polizisten herumsprach. Ohne gefragt worden zu sein, baten uns bald Gäste, das Foto sehen zu dürfen, und reichten es quer durch die Bankreihen. Zwei junge Asiatinnen lächelten so lange um uns herum, bis wir uns bereit erklärten, uns von ihnen knipsen zu lassen.
    »Ich sterb gleich«, sagte Martin, der vorhin, als ich Dr. Rath besuchte, im Auto gewartet hatte. An ihm gingen sämtliche Gesundheitsreformen spurlos vorüber, abgesehen von gelegentlichen Besuchen bei unserem Pathologen Dr. Ekhorn begab sich Martin niemals in die Nähe eines Arztes. Was ihm fehlte, wusste er selbst, und an Heilung glaubte er schon aus Freude am Glauben.
    »Wie wäre es mit einem Vitaminsaft«, sagte ich.
    Er sah mich an wie jemanden, dessen Geist sich verflüchtigt hatte. »Wirst du jetzt hypochondrisch, nur weil du in der

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