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Süden und der glückliche Winkel

Süden und der glückliche Winkel

Titel: Süden und der glückliche Winkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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große Sorgen, hat sie gesagt.«
    »Wie heißt die Frau?«
    »Annegret Marin. Hast du den Namen schon mal gehört?«
    »Nein«, sagte ich. »Ruf sie bitte an und sag ihr, ich bin in einer Stunde bei ihr.«
    »War richtig, dass ich dich geweckt hab, oder?«, sagte Freya Epp.
    »Unbedingt«, sagte ich.
    Richtig war auch, anschließend die wieder nackt und deckenlos in meinem Bett eingeschlafene Sonja zu wecken, denn jetzt pressierte es.

5
    I n beigen Shorts und einem rotweiß gestreiften Bikinioberteil servierte sie heißen Kaffee und Croissants, goss kohlensäurefreies Mineralwasser in zwei Gläser, setzte sich in den Korbstuhl mir gegenüber und schlug die braun gebrannten Beine übereinander, einen lauernden Ausdruck im Gesicht. Ich sah sie an und schwieg.
    Seit unserer Begrüßung hatte ich kaum etwas gesagt, nur ja zum Kaffee und erfolglos nein zum Wasser und auf ihre Bemerkung hin, sie habe die Hörnchen extra für mich noch schnell besorgt, ein dürftiges Danke. Es war nicht meine Aufgabe zu sprechen, bei diesem Vermisstenfall hatte ich, wie ich fand, schon genug geredet, hatte gegen meine Gewohnheit ständig Fragen gestellt und zu wenig Stille zugelassen, zu wenig Zwischenräume.
    Bei jeder Bewegung knirschte der Korbstuhl, in dem ich auf einem weichen blauen Kissen saß, also beugte ich mich nicht mehr vor, um nach der Kaffeetasse zu greifen.
    Sogar das quirlige, unaufhörliche Singen der Vögel, die in der Eiche vor dem Haus möglicherweise ein gigantisches Bardentreffen abhielten, fing an, mich zu stören, genau wie der Blick von Annegret Marin. Nach jedem Schluck Milchkaffee hielt sie die weiße henkellose Schale eine Minute an den Mund, sah mich herausfordernd an und setzte die Schale dann mit einem flüchtigen Grinsen ab. Vielleicht bereute sie, im Dezernat angerufen oder extra wegen mir Croissants gekauft zu haben.
    Wir saßen auf einem Balkon im dritten Stock. Von der Kunigundenstraße drangen Stimmen von Kindern und Frauen herauf, vor jedem Haus wuchsen Bäume oder Sträucher, und Efeu rankte sich die Wände empor. In dieser sorgfältig begrünten Wohngegend östlich der Ungererstraße lebten in teilweise renovierten Altbauten überwiegend mittlere bis höhere Angestellte, Selbstständige und in den Medien oder künstlerisch tätige Freiberufler, meist Familien mit Kindern oder unverheiratete Paare, umwelt und ernährungsbewusst – an die Bäckerei neben der homöopathischen Apotheke war ein Naturkostladen angegliedert. Annegret Marin gehörte zur Minderheit dieser Nordschwabinger, sie war unverheiratet und lebte allein.
    »Wieso fragen Sie mich nicht, ob ich ein Verhältnis mit Cölestin Korbinian hab?«, sagte sie.
    »Hernach«, sagte ich.
    »Sind Sie Bayer?«, sagte sie.
    Ich sagte: »Ich bin hier geboren.«
    »In München.«
    »Auf dem Land.«
    »Wo genau?«
    »In Taging.«
    »Kenn ich!«, sagte sie. »Ich fahr manchmal hin und schwimm im See, sehr schön ist es dort.«
    Ich schwieg.
    Sie hob die Tasse an die Lippen, musterte mich und stellte die Tasse wieder auf den Tisch. »Ungewöhnlich lange Haare haben Sie, für einen von der Polizei.«
    »Ja«, sagte ich.
    »Haben Sie vergessen, sich zu rasieren?«, sagte sie mit einem schnellen, vielleicht nett gemeinten Grinsen.
    »Nein«, sagte ich.
    Nach einer Weile – sie schlug zweimal die Beine übereinander, rückte auf dem knarzenden Korbstuhl hin und her und stützte die Arme auf der Lehne ab – wandte sie sich mit einem entschiedenen Ruck zu mir. »Haben Sie was gegen mich?«
    Ich sah ihr eine Weile in die Augen.
    »Natürlich nicht«, sagte ich.
    »Sind Sie überhaupt für diesen Fall zuständig?«
    »Ich bin der Sachbearbeiter, ich bin dafür zuständig, Cölestin Korbinian wiederzufinden. Und Sie wissen, wo er ist.«
    »Nein!«, sagte sie, lehnte sich zurück, drehte mehrmals den Kopf zu mir und wieder weg, als bringe sie mein Anblick aus dem Konzept. »Deswegen hab ich Sie doch angerufen! Was wollen Sie die ganze Zeit von mir? Ich hab Sie angerufen, ich will Ihnen helfen! Bin ich die Einzige, die auf das Foto hin angerufen hat?«
    »Bisher schon«, sagte ich.
    »Das kann doch nicht sein!« Sie sah mich an, ihr Gesicht war gerötet, und ihre kurzen schwarzen Haare sahen auf einmal zerwühlt aus, obwohl ihre Hände nach wie vor die Stuhllehnen umklammerten.
    »Erzählen Sie mir von ihm!«, sagte ich. »Beschreiben Sie, was er für ein Typ ist!«
    »Sie waren doch bei seiner Frau, oder nicht?«, sagte sie ungehalten. »Sie wissen doch, was er

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