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Süden und die Frau mit dem harten Kleid

Süden und die Frau mit dem harten Kleid

Titel: Süden und die Frau mit dem harten Kleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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extrem inspiriert. Was sagen Sie dazu? Ist doch komisch, oder?«
    »Ja«, sagte ich.
    Dann schwiegen wir beide. Etwas später sagte ich: »Halten Sie es für möglich, dass er sich was angetan hat?«
    Sein Kopf kippte mehrmals von rechts nach links, er schüttelte ihn nicht, es sah aus, als würde der Kopf von einer schwerfälligen Mechanik angetrieben .
    »Ja«, sagte Franz Beck schließlich. »Absolut. Halt ich für möglich. Der Mann war am Ende, absolut. Halt ich für möglich, ja.«
    Im zweiten Stock hockte Mathilda Ross auf dem Fußabstreifer vor der Wohnungstür deines Vaters, eine Plastiktüte zwischen den Knien und eine Flasche Bier neben sich.
     
    Sie hatte sich aufs Bett gesetzt, eingehüllt in ihren Wollmantel, ich stand neben dem Bett, und jeder von uns hatte eine Flasche Bier in der Hand. Es war kalt im Zimmer, die Heizung funktionierte nicht.
    »Sie sind die Serpentinen ja selber gefahren«, sagte Mathilda. »Die sind eigentlich nicht gefährlich, bloß eng. Und glatt. Im Winter. Und nachts. Er hats eilig gehabt, nach Hause zu kommen. Außerdem war er betrunken. Und nicht angeschnallt. Ich hab den Knall gehört. Und die Nachbarn auch. Wir sind alle raus. Die Feuerwehr hat ihn rausgeschnitten, auf dem Weg ins Krankenhaus ist Ludwig gestorben. Ich hab seine Leiche nicht mehr gesehen .
    Wollt ich nicht. Später hats mir Leid getan, sehr Leid hats mir getan.«
    Wir tranken beide gleichzeitig.
    »Ist jetzt auch schon wieder fünf Jahre her«, sagte sie .
    »Ludwig war im Gemeinderat. Es gab Kollegen von ihm, Kollegen aus der Firma, die haben ihn unterstützt, egal was er getan hat, um die CSU zu ärgern, Bürgerinitiative, Kindergartenaktionen, Umweltschutz, er wollte allen Ernstes einen autofreien Sonntag einführen, so wie damals in den Siebzigern, während der Ölkrise. Die CSUler hätten ihn fast aus dem Dorf gejagt. Er war wahnsinnig engagiert, er wollt was machen, nicht nur verändern, damit er Stimmen kriegt und Aufmerksamkeit erregt, ihm war es ernst mit allem. Mit mir auch. Er hatte vor, uns ein Haus zu bauen, Holz, Solarzellen auf dem Dach, solche Sachen, er hat immer gesagt, er will für mich sorgen, das wär ein Glück für ihn. Und er hat gesagt, wenn ich möchte, macht er auch irgendwas für meinen Bruder, ihm würd schon was einfallen, er würds den Leuten schon zeigen, die ihn weggejagt haben aus dem Dorf, die froh waren, dass er in die Stadt gezogen ist, weil sie seine Monologe nicht mehr hören konnten, weil sie ihn für einen missratenen Sohn gehalten haben, weil unser Vater, der Zahnarzt, sich für seinen Sohn schämen musste. Darf ich Ihnen was verraten, Herr Süden? Mein Vater hat sich nie für Johann geschämt. Der war dem scheißegal, so scheißegal, wie einem Baum scheißegal ist, wenn ein Vogel ihn anscheißt.«
    Sie hielt den Kopf gebeugt und die Flasche nah vor ihr Gesicht, sodass die Tränen eines Auges genau in die Öffnung tropften.

5
    I n dieser Nacht blieb ich bis zwei Uhr im Büro, ergänzte die Ausschreibung im INPOL-System, die Sonja Feyerabend eingegeben hatte, um einige Daten, bei denen ich mir allerdings nicht sicher war, ob es Sinn machte, sie schon jetzt ins Spiel zu bringen .
    So nahm ich die Beschreibung des Mädchens auf der Treppe in die Suchmeldung mit auf .
    Hinterher ist man immer schlauer .
    Ansonsten war vollkommen klar, dass uns kaum ein Kollege in einer anderen Dienststelle, vor allem nicht beim LKA, das auf die Informationen ebenfalls Zugriff hatte, bei der Suche besonders unterstützen würde. Dafür waren die Anhaltspunkte trotz der speziellen Details zu vage. Wir hatten keine genaue Personenbeschreibung, wir wussten nichts über die Sachen, die dein Vater bei sich trug, nichts über eine mögliche Fluchtrichtung und über ein Fluchtziel, wir hatten keinen Arzt aufgetrieben, der deinen Vater irgendwann einmal behandelt hätte, um uns Auskünfte über seinen körperlichen Zustand geben zu können, über ausgeprägte Merkmale, bestimmte Verletzungen, und wir hatten nicht einmal ein Foto .
    Die einzigen Aufnahmen von ihr und ihrem Bruder, die Mathilda Ross aus einer Schuhschachtel voller alter Schnappschüsse hervorgekramt hatte, stammten aus der Zeit vor dem Tod ihres Mannes.
    »Johann hat sich schon als Kind nicht knipsen lassen«, hatte sie in ihrer Wohnung gesagt. Das Foto, das wir dann mitnahmen, zeigte einen Mann mit kurzem welligem Haar, verschatteten Augen, einer fleischigen Nase und kräftigen Lippen. Zum Zeitpunkt der Aufnahme war er

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