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Süden und die Frau mit dem harten Kleid

Süden und die Frau mit dem harten Kleid

Titel: Süden und die Frau mit dem harten Kleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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vierunddreißig Jahre alt, aber man hätte ihn auf Anfang vierzig schätzen können. Sowohl das Ehepaar Kellerer als auch Franz Beck erklärten fast übereinstimmend, Johann Farak sehe heute, sieben Jahre später, völlig anders aus, hätte längere Haare und eingefallene Wangen, außerdem ständig Abschürfungen im Gesicht und an den Händen, vermutlich von Stürzen im Suff. Da Sonja Feyerabend es nicht geschafft hatte, Hanne Farak, Johanns Mutter, zu erreichen und sie nach einem Foto zu fragen, mussten wir uns mit diesem unbrauchbaren Bild begnügen. Und in einer Aktennotiz hatte Sonja hinterlassen, dass sie Andrea Langer zwar ausfindig gemacht und am Telefon mit ihr gesprochen habe, dass die Lehrerin aber auch kein Foto besitze. Zudem hätte sie seit zwei Jahren keinen Kontakt mehr zu Johann .
    In einer weiteren Notiz teilte mir Sonja mit, sie vermute, wir hätten es mit einer Hupfauf-Sache zu tun. Der Ausdruck bedeutet, ein Verschwundener ist schneller wieder zurück als ein Kind einmal mit einem Seil springen kann.
    Daran glaubte ich keinen Moment .
    Ich war mir nicht sicher, ob dein Vater tatsächlich plante, sich umzubringen. In seine Wohnung zurückkehren würde er jedoch nicht, das stand für mich fest .
    Ich verließ das Dezernatsgebäude an der Bayerstraße, legte den Kopf in den Nacken und atmete tief die kalte feuchte Luft ein. Wenn ich zu Fuß nach Hause ging, brauchte ich fünfundvierzig Minuten, und das war ausreichend Zeit, um den Tag abzustreifen, die Stimmen zu ordnen, nüchtern zu werden.
    In meiner Tasche steckte das Märchenbuch, das ich heimlich aus der Wohnung deines Vaters mitgenommen hatte. Die Geschichte, die er anscheinend am häufigsten gelesen und in der er Wörter und Absätze angestrichen hatte, war die von Hans im Glück. Erinnerst du dich an sie? Hat dir deine Mutter früher Märchen vorgelesen? Oder einer ihrer Freunde? Die Geschichte handelt von einem jungen Arbeiter, der nach sieben Jahren seinen Job hinwirft, um zu seiner Mutter zurückzukehren. Warum, weiß man nicht. Sein Chef schenkt ihm zum Dank für die treuen Dienste einen Klumpen Gold, der den jungen Mann aber nicht froh macht. Er begegnet einem Reiter und tauscht das Gold gegen dessen Pferd, weil er denkt, es ist bequemer zu reiten als ewig zu wandern. Doch schon bald wirft ihn das Pferd ab, und er überredet einen Bauern dazu, seine Kuh gegen das Pferd zu tauschen, um später festzustellen, dass sie keinen Tropfen Milch gibt .
    Zufällig taucht ein Metzger auf, und von dessen Schwein verspricht sich Hans großen Gewinn. Sie tauschen die Tiere, und Hans ist glücklich. Er ist davon überzeugt, sich bei seinem Handel ununterbrochen zu verbessern, auch als er einen Burschen trifft, der eine fette Gans mit sich trägt. Dieser erzählt ihm, dass in einem Dorf in der Nähe ein Schwein gestohlen wurde, und Hans kriegt es mit der Angst, verdächtigt zu werden. Der Bursche hat Mitleid, tauscht die Gans gegen das Schwein und verschwindet auf einem Seitenweg, wo niemand ihn sehen kann. Hans freut sich schon auf seine Mutter, die aus der Gans ein prächtiges Essen bereiten würde. In einem Dorf sieht er einem Scherenschleifer bei der Arbeit zu. Sie fangen an, sich zu unterhalten, so lange, bis Hans die Überzeugung des Scherenschleifers teilt, dass man mit diesem Beruf viel Geld verdienen könne. Der Scherenschleifer gibt Hans einen Wetzstein und einen Feldstein und erhält dafür die Gans. Nach einem langen Marsch mit den schweren Steinen wird Hans müde, sein Proviant ist verbraucht, und er hat Durst. Da entdeckt er einen Brunnen .
    Und als er sich darüber beugt, stößt er aus Versehen gegen die Steine, die er auf den Rand gelegt hat, und sie fallen in die Tiefe. Und daraufhin passiert etwas Seltsames: Hans ist nicht etwa wütend oder niedergeschlagen über den Verlust seines ganzen Besitzes, sondern er sinkt auf die Knie und dankt Gott unter Tränen, dass er ihn von seiner Bürde erlöst habe. »So glücklich wie ich«, ruft er , »gibt es keinen Menschen unter der Sonne.« Und mit »leichtem Herzen und frei von aller Last«, wie es heißt, läuft er nach Hause zu seiner Mutter .
    Warum, meinst du, war dein Vater so fasziniert von diesem Märchen? Erging es ihm ähnlich im Leben? Sind Hans und Johann Weggefährten? Hatte Johann schließlich ein leichtes Herz? War er erlöst von aller Qual?
    Doch wo wäre sein Zuhause? Bei seiner Mutter? War er bei ihr? Sonja hatte sie nicht erreicht, nur auf den Anrufbeantworter gesprochen, und

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