Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Süden und die Frau mit dem harten Kleid

Süden und die Frau mit dem harten Kleid

Titel: Süden und die Frau mit dem harten Kleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
Vom Netzwerk:
willst du von uns?«, fragte Rudi. Mit der Grimmigkeit hatte er noch Probleme, er versuchte, entsprechend dreinzuschauen, aber der Alkohol zauberte immer wieder ein abgetakeltes Grinsen in sein Gesicht .
    »Vielleicht wisst ihr, wo er sein könnte«, sagte ich .
    »Wie war das mit dem Baum?«, fragte Karre.
    »Ihr wisst also nicht, wie das Mädchen heißt?«, fragte ich.
    »Liane«, brummte Rudi.
    »Ich hau ab«, sagte ich. »Gib mir bitte deine Telefonnummer, vielleicht muss ich dich noch was fragen.«
    Rudi legte den Kopf schief.
    »Es ist wichtig«, schrie ich, denn jetzt waren Deep Purple an der Reihe.
    Schließlich brachte Rudi seinen Mund wieder auf. »Hast was zum Schreiben?«
    Ich notierte seine Nummer und seinen Familiennamen auf meinem kleinen karierten Block und verabschiedete mich. Traumhafter Grasgeruch versüßte mir den Kampf zum Ausgang der Höhle.
    Auf der Heimfahrt im Taxi ging mir meine erste und einzige Begegnung mit unserem Psychologen nicht mehr aus dem Kopf, in dem es zischte und brummte und hämmerte. In meinem Zustand kam mir die Erinnerung an meine Sitzung bei Dr. Sick wie ein grotesker Film vor, in Schwarzweiß. Wir saßen in einem vollkommen weißen Raum, und Dr. Sick trug einen Baumkuchen als Hut, seine Füße waren nackt und sahen aus wie mit Schokolade überzogen.
    Jedes Mal, wenn ich kicherte, blickte der Taxifahrer in den Rückspiegel.
    »Ihr Chef hat um dieses Gespräch gebeten«, sagte Dr. Sick. »Und Sie haben zugestimmt.«
    Und Sie haben zugestimmt, hörte ich das Echo in meinen Ohren.
    »Fühlen Sie sich bedrängt?«, fragte er. »Fühlen Sie sich unwohl?«
    Wohl wohl wohl .
    »Nein«, sagte ich.
    »Sie können gehen, wenn Sie wollen«, sagte er. »Sie sind freiwillig hier.«
    »Ja«, sagte ich.
    »Darf ich Ihnen ein paar Fragen stellen?«
    »Darf er«, sagte ich.
    Der Taxifahrer sah in den Spiegel. Ich saß auf der Rückbank, hinter dem Beifahrersitz in die Ecke gezwängt, und kicherte.
    »In meinen Unterlagen steht, Ihre Mutter ist gestorben und Ihr Vater ist verschwunden, ist das richtig?«, fragte er .
    »Ja«, sagte ich.
    »Vermissen Sie Ihren Vater?«
    »Nein«, sagte ich. Ich war nicht hier, um die Wahrheit zu sagen.
    »Finden Sie es nicht interessant, dass Sie auf der Vermisstenstelle arbeiten und Ihr eigener Vater verschwunden ist?«
    »Doch«, sagte ich. »Das ist eine Geschichte, die schon in der Zeitung stand. ›Er arbeitet auf der Vermisstenstelle der Kripo und kann seinen eigenen Vater nicht finden.‹ Dieser Satz hat mich bekannt gemacht.«
    »Schmerzt es Sie, dass Sie Ihren Vater nicht finden können?«, fragte er. Der Baumkuchen auf seinem Kopf wackelte, und seine nackten Schokoladenzehen patschten auf den Marmorboden. Plötzlich befanden wir uns in einem riesigen gekachelten Raum mit Fenstern, die bis unter die Decke reichten und durch die milchiges Licht hereinfiel. Und es war warm, in der feuchten Luft glänzte meine Haut. Mit übereinander geschlagenen Beinen hockte ich in einem Ledersessel, nackt, die Hand auf meinem Geschlecht, nicht, um es zu bedecken, sondern um es zu spüren .
    »Nein«, sagte ich.
    »Warum«, sagte Dr. Sick, »glauben Sie, wollte Ihr Chef, dass wir uns unterhalten?«
    »Vielleicht hält er mich für durchgeknallt.«
    Knallt knallt knallt, hallte es durch den Raum .
    »In seinen Augen«, sagte ich, »bin ich unberechenbar, einzelgängerisch und teamunfähig.«
    »Sind Sie das?«
    »Selbstverständlich!«, schrie ich, als wäre ich noch in der »Schwabinger Sieben«.
    »Sind Sie stolz darauf?«, fragte er von irgendwoher, wo ich ihn nicht sehen konnte.
    »Nein!«, schrie ich.
    In diesem Augenblick tauchte sein Gesicht vor meinem auf, schweißüberströmt, von dicken Adern durchzogen.
    »Sind Sie gern Polizist?«, brüllte er mich an.
    Ich brüllte zurück: »Ich bin seit fünfundzwanzig Jahren bei der Polizei! Zum Jammern ist es zu spät!«
    In der Halle mit den fünf Meter hohen Wänden schien sich meine Stimme zu überschlagen.
    Dr. Sicks Mund war nah vor meiner Nase.
    »Sie könnten den Dienst quittieren und was anderes machen«, sagte er.
    Unsere Worte rasten ineinander.
    »Was?«, fragte ich.
    »Ich weiß nicht.«
    »Ich auch nicht.«
    »Sie sind nicht verheiratet?«
    »Nein.«
    »Leben Sie in einer Beziehung?«
    »In mehreren.«
    »Ist das ein Problem?«
    »Für mich am wenigsten.«
    »Haben Sie Angst, sich an einen Menschen zu binden?«
    »Manchmal, am nächsten Morgen.«
    »Trinken Sie viel?«
    »Ja.«
    »Wie

Weitere Kostenlose Bücher