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Süden und die Frau mit dem harten Kleid

Süden und die Frau mit dem harten Kleid

Titel: Süden und die Frau mit dem harten Kleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Waldgeruch wahrnehmen, doch ich täuschte mich. Dafür passierte etwas, das unglaublich war .
    Unglaublich und wundervoll.
    Obwohl es Nacht war und der Himmel schwarz, gingen plötzlich drei Monde auf, einer im Norden, einer im Osten und einer im Westen. Jedenfalls bildete ich mir ein, dass es diese Himmelsrichtungen waren. Und ich befand mich auch nicht mehr an einem See, sondern auf einer Plattform über der Stadt, auf einem breiten flachen Dach, von dem aus ich in die Ferne schauen konnte. Doch meine Blicke galten nur den drei Monden, deren Schleier sich verzogen hatten und die so hell leuchteten wie eine Sonne. Fasziniert sah ich hinauf und es kam mir vor, als strahlten die Monde Energie aus, als flößten sie mir Kräfte ein, mit denen ich jede Krankheit überstehen, jede Not ertragen würde. Ich weinte fast vor Übermut. Und nichts anderes empfand ich in diesem Moment: ein nie gekanntes, seelentiefes Glück. Und dabei war es noch immer Nacht, die Häuser, die Straßen lagen im Dunkeln, der Himmel war noch immer schwarz, nur die drei Monde hingen dort oben wie fokussiert auf mich allein. Auf der Dachterrasse gingen noch andere Menschen umher, und ich machte sie auf das Phänomen aufmerksam, doch sie wirkten nicht sehr beeindruckt, beinahe desinteressiert .
    Ich aber berauschte mich an dem Anblick und an der Freude, die mich erfüllte.
    Noch Stunden nachdem ich aufgewacht war, überwältigte mich die Erinnerung an diesen Traum .
    Da war ich bereits von sehr profanen Dingen berauscht und vom Lärm der Musik und der Stimmen derart gefoltert, dass ich das Mädchen mit dem halb geschorenen Kopf erst bemerkte, als sie kehrtmachte und wie eine Nahkämpferin mit rudernden Armbewegungen durch die Reihen der Gäste drängte, auf den Ausgang zu.

8
    » W ie heißt der? Wie?«, brüllte der Mann hinter dem Tresen, vor dem die Trinker sich aneinander kuschelten, als würden sie sich lieben. Aus den Lautsprechern, deren Anzahl ich auf ungefähr zwanzig schätzte, donnerte Rockmusik aus den siebziger Jahren, katastrophale Songs wie »Paranoid« von Black Sabbath oder »Shanghai’d in Shanghai« von Nazareth. Dazwischen »20th Century Boy« von T. Rex oder für die, die noch nicht vollständig taub waren, »You really got me« von den Kinks in einer scheppernden Liveversion. Vielleicht lag das Scheppern auch an meinem Schädel, der vom Kreischen und Wummern der Instrumente langsam Risse bekam.
    »Johann!«, schrie ich über den Tresen und stützte mich auf dem Rücken eines jungen Mannes ab, der unbeweglich vor mir stand. »Johann Farak!«
    »Kenn ich nicht!«, brüllte der Barkeeper. Er war um die dreißig und hätte der Sohn einiger seiner Gäste sein können.
    An der »Schwabinger Sieben« in der Feilitzschstraße, einem engen, von Rauch und Alkohol und den Ausdünstungen unsterblicher Helden patinierten Lokal, hatte die Jahrtausendwende keinerlei Spuren hinterlassen. Nicht einmal die üblichen Kneipenkiller, die im Auftrag der Stadtverwaltung, einer Brauerei oder eines Architekturbüros auch in dieser Gegend Amok gelaufen waren, hatten es geschafft, dieses Relikt aus den späten Vierzigern zu sanieren, geschweige denn es verschwinden zu lassen .
    Das Einzige, was darauf hindeutete, dass auch hier eine Gegenwart stattfand, war der Euro, mit dem man neuerdings seinen Rausch bezahlte.
    Mit dem fünften Bier in der Hand, einem Pils aus der Flasche, quetschte ich mich an der Wand entlang, umzingelt von schwitzenden, geröteten Gesichtern. Garantiert sah ich nicht besser aus.
    »Kennst du Johann Farak?«, schrie ich einen Mann an, der ungefähr so alt war wie ich, genauso unrasiert und seine Haare zu einem Zopf geflochten hatte .
    Er schüttelte den Kopf.
    »Ich kenn ihn!«, brüllte mir jemand ins Ohr .
    Hinter mir stand ein dürrer Mann um die fünfzig, der eine krumme selbst gedrehte Zigarette rauchte .
    »Was willstn von dem?«
    »Ich will ihm sein Geld zurückgeben!«, schrie ich gegen den Sänger von AC/DC an. Wenn ich gesagt hätte, ich sei von der Polizei, hätten vermutlich auf einen Schlag hundert Leute das Lokal verlassen, aus Gründen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz, um es geschwollen auszudrücken.
    »Glaub nicht, dass der kommt«, sagte der dürre Mann .
    Der Zopf meinte: »Kenn ich den?«
    »Hanse«, sagte der Dürre. »Du kennst doch den Hanse, mit dem ich im Baumarkt arbeite. Der Hanse!«
    »Der Hanse!«, sagte der Zopf. »Ewig nicht mehr gesehen . Wieso kommt der nicht mehr?«
    »Er ist auch

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