Suehne
vorbei in Handschellen abgeführt hatten.
Damals war die Medaille nicht verliehen worden. Der einstige Polizeidirektor, ein Kompromisskandidat mit einem Parteibuch der Volkpartei, der den Posten bekommen hatte, da es keinen besseren Kandidaten gegeben hatte, hatte einfach nicht genug Schneid gehabt.
»Es war mitten im Wahlkampf, sozialdemokratische Regierung und all das. Palme war vollkommen übergeschnappt, also bekam der Polizeidirektor kalte Füße. Ganz einfach zu wenig Mumm«, stellte der HR-Chef fest.
Zuletzt war die Medaille vor fast sechzig Jahren verliehen worden, und zwar an den damaligen Oberwachtmeister der Polizei Stockholm Viking Örn für seinen entscheidenden Einsatz bei den so genannten Margarinekrawallen im November 1948.
»Die Große Polizeimedaille in Gold«, sagte die Bezirkspolizeidirektorin, und es klang fast so, als würde sie die Worte auf der Zunge zergehen lassen. Sie hatte sich etwas ganz anderes vorgestellt, aber das würde sie für sich behalten. Bis auf Weiteres zumindest.
»Könntest du da nicht mal einen Blick drauf werfen, Margareta«, sagte sie zu ihrer Chefjuristin, »und die Fakten zusammenstellen, dann treffen wir uns morgen früh zu einer weiteren Besprechung.«
»Gerne«, sagte die Chefjuristin und nickte aus unerklärlichem Grund dem neuen HR-Chef freundlich zu. »Es ist mir ein Vergnügen«, fügte sie noch hinzu. Wer war Viking Örn? Was waren die Margarinekrawalle?
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Wer war Viking Örn? Viking Örn war 1905 in Klippan in Schonen als Sohn des Mühlenbesitzers Tor Balder Örn und seiner Frau Fidelia Josefina, geborene Markow, zur Welt gekommen. Er war Polizeibeamter und außerdem ein legendärer Ringer. Bei der Olympiade in Berlin 1936 hatte er die Goldmedaille im griechisch-römischen Stil im Schwergewicht gewonnen, und man erzählte sich, er habe seine herkulische Stärke erworben, als er als Dreikäsehoch die steilen Mühlentreppen zu Hause in Klippan mit Neunundneunzig-Kilo-Mehlsäcken rauf- und runtergewetzt sei.
Viking Örn war 1926 Anwärter der Stockholmer Polizei geworden, und in Klippan und ganz Schonen hatte man Volkstrauer ausgerufen. Klippan war die schwedische Ringer-Hochburg gewesen. Viking Örn hatte seinem Club schon etliche Meistertitel beschert und würde jetzt in den Ringerclub der Polizei Stockholm eintreten.
In der legendären Olympiaendausscheidung 1936 in der Berliner Sporthalle hatte er den großen Sohn und Helden des Dritten Reiches, den ringkämpfenden Baron Claus Nicholaus von Habenix besiegt. Bereits nach einer Minute hatte Örn Habenix auf die Matte gezwungen, hatte erneut zugepackt und den Baron in einen Hebegriff genommen und mit seinen Riesenarmen hochgehoben. Anschließend hatte der schwedische Wikinger einen fürchterlichen Schrei ausgestoßen, sich halb um sich selbst gedreht und von Habenix in die dritte Reihe der Zuschauertribüne geschleudert. Zwölf Jahre später hatte er die Große Polizeimedaille in Gold erhalten. Viking Örn war zu diesem Zeitpunkt Oberwachtmeister gewesen und stellvertretender Chef des Einsatzkommandos, das bei seiner Gründung fünfzehn Jahre zuvor von dessen erstem Chef als die schwedische Entsprechung der deutschen SA beschrieben worden war. In den Jahren nach dem Krieg hatten sich dessen Aufgaben teilweise gewandelt. Das Einsatzkommando konzentrierte sich vornehmlich auf den Transport von besonders gefährlichen Gefangenen von und zu den Gefängnissen und anderen Anstalten sowie auf den Schutz von »Gebäuden, Anlagen und anderen Werten« in der königlichen Hauptstadt.
Man verfügte außerdem über das erste Spezialfahrzeug der Polizei. Einen schwarzen, extra langen Plymouth V 8, in dem bis zu zehn Schutzleute plus Fahrer Platz fanden. Außerdem richtige Schränke, da Örn sie fast ausschließlich aus dem Ringerclub der Polizei Stockholm rekrutierte. Im Volksmund wurde der Wagen »schwarze Maja« genannt und seine Besatzung »die Blumenkohlbrigade« nach der Form ihrer Ohren.
Am dritten Tag der Margarinekrawalle in einer für die Nation kritischen Lage, in der alles auf der Kippe gestanden hatte, war es Viking Örn gelungen, einer Entwicklung Einhalt zu gebieten, die zur Katastrophe hätte führen können. Zur Belohnung hatte er die Große Polizeimedaille in Gold erhalten. Aber was waren die Margarinekrawalle gewesen? Die Margarinekrawalle waren ein lange vernachlässigtes Kapitel der neueren schwedischen Geschichte, und erst sehr viel später hatte die Historikerin Maja Lundgren in ihrem
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