Suehne
Standardwerk über die Rationierungspolitik der schwedischen Regierung nach Ende des Zweiten Weltkriegs (»Satte Männer und magere Mütter«, Bonnier Fakta, 2007) diese Vorfälle eingehender beleuchtet.
Die Krawalle hatten am Donnerstag, dem 4. November 1948, begonnen, und Grund für die Unzufriedenheit der Demonstranten war gewesen, dass die schwedische Regierung die Margarinerationierung nicht aufgehoben hatte, obwohl seit dem Ende des Krieges im Mai 1945 dreieinhalb Jahre vergangen waren. Demonstriert hatten Hausfrauen aus der Arbeiterklasse, und die Demonstration war anfänglich sehr bescheiden ausgefallen. Es hatte sich um etwa fünfzig Frauen gehandelt, von denen nur etwa ein halbes Dutzend ein Plakat mit sich geführt hatten.
Aus unklaren Gründen hatten sie sich dafür entschieden, vor dem Hauptquartier des Gewerkschaftsverbands am Norra Bantorget statt vor der Regierungskanzlei in der Altstadt zu demonstrieren. Ministerpräsident Tage Erlander und der verantwortliche Minister Gustaf Möller waren relativ ungeschoren davongekommen; der Zorn der Demonstrantinnen hatte sich stattdessen gegen den Vorsitzenden des Gewerkschaftsverbands Axel Strand und seinen nächsten Mitarbeiter, den Schatzmeister des Verbands Gösta Eriksson gerichtet.
Zum ersten Mal in der schwedischen Geschichte hatte das Land eine alleinregierende Arbeiterpartei an der Macht. Jeder rechtgläubige Sozialdemokrat wusste auch, dass die Regierungsmitglieder Marionetten des Gewerkschaftsverbands, LO, waren. Daher hatte man die LO-Burg, das Hauptquartier des Gewerkschaftsverbands, gewählt, um dort zu demonstrieren, und nicht etwa die Regierungskanzlei.
Etwa fünfzig Frauen hatten sich vor der Treppe des Gewerkschaftsverbands versammelt und einem Vertreter dieser Organisation eine Liste mit ihren Forderungen überreicht. Man hatte ihnen den Rat erteilt, sich an die Regierung zu wenden.
Am zweiten Tag war der Ton schärfer geworden. Die Anzahl der Frauen hatte sich vervielfacht. Einige hundert Mütter forderten: »Margarine aufs Brot der Kinder der Arbeiterklasse.« Außerdem skandierten sie: »Die Reichen essen Butter, wir essen Bezugsscheine.« Am dritten Tag, Samstag, dem 6. November, war die Lage kritisch geworden. »Satte Männer und magere Mütter« hatte auf einem der hämischsten Plakate gestanden, auf dem außerdem noch Strand und Erlander mit erhobenen Schnapsgläsern abgebildet gewesen waren.
Es war Sonnabend und außerdem der Todestag des Heldenkönigs Gustaf II. Adolf gewesen, und der Tag war somit für Manifestationen dieser Art außerordentlich schlecht gewählt gewesen.
Arbeiterfrauen waren mit der Bahn aus der gesamten Mälarregion angereist, die Anzahl der Demonstrantinnen betrug bereits am Morgen mindestens ein halbes Tausend, die Polizei der Klara-Wache hatte sich an den Polizeipräsidenten Henrik Tham gewandt und um Hilfe gebeten, da die lokale Wache die Ordnung und Sicherheit nicht mehr garantieren konnte. Tham hatte das Einsatzkommando unter Befehl des legendären Viking Örn angefordert. Dieser war in der Schwarzen Maja, gefolgt von mehreren normalen Streifenwagen, eingetroffen, hatte sich einen Weg durch die aufgebrachte Menge gebahnt und sich, umgeben von seinen respekteinflößenden Ringerkameraden, ganz oben auf die Treppe des Hauptquartiers des Gewerkschaftsverbands gestellt. Keiner hatte den Säbel ziehen müssen.
»Geht nach Hause, Weiber, sonst gibt's Prügel!«, hatte Örn gebrüllt und mit seiner Rechten, die so groß war wie der Schinken, der beim Weihnachtsessen Seiner Majestät serviert wurde, gedroht.
Und da sich dies alles zur bösen alten Zeit zugetragen hatte, als fast alle Frauen taten, was ihre Männer ihnen sagten, waren sie einfach davongetrottet. Außerdem hatten sie ja alle Kinder gehabt, um die sie sich hatten kümmern müssen, und überdies hatte es zu regnen begonnen, ein kalter, ungemütlicher Novemberregen. Viking Örn war der Held der herrschenden Mittelklasse geworden, und man hatte ihm die Große Polizeimedaille in Gold verliehen. Der Polizeipräsident hatte ihm gedankt, und sämtliche konservativen Tageszeitungen hatten ihm in Leitartikeln ihre Hochachtung ausgesprochen. Leider hatte er sich auch zu einigen Äußerungen hinreißen lassen, die sechzig Jahre später im bleichen Licht historischer Erkenntnis als weniger geglückt gelten mussten.
In einem Radiointerview des Senders Stockholm-Motala hatte er seinen eigenen Einsatz sogar heruntergespielt. Viel Lärm um nichts, mit dem
Weitere Kostenlose Bücher