Suehne
einem halben Jahr vorbei. Der letzte Sex, wenn man mal von dem absieht, den man sich selbst verschafft, war dann aber mit einem Typen. Nicht einmal mit einem Kolle
gen. Er war so eine Art Vertreter. Ich habe ihn in der Kneipe aufgegabelt.« »Und? War der was?«, fragte Bäckström.
»Nein«, sagte Annika und schüttelte den Kopf. »Viel Gerede, wenig dahinter. Fast nur Gerede, wenn ich es mir recht überlege.«
Eine Frau, die so redet. Wo soll das noch alles enden?, dachte Bäckström und begnügte sich mit einem Nicken.
»Ich spiele immer mit offenen Karten und bin eine Anhängerin des Freistils«, verdeutlichte Annika Carlsson. »Dachtest du an was Bestimmtes, Bäckström?«
»Ich dachte eigentlich gerade nur daran, mich hinzulegen«, sagte Bäckström. Wie soll das nur enden mit Schweden?, dachte er. Mit mir und all den anderen normalen, ehrlichen und hart arbeitenden Männern? Was kommt da bloß auf uns zu?
82
Als erste Maßnahme am Freitagmorgen beschloss Bäckström, die im Großen und Ganzen einzige noch übrige Wolke an seinem sonst strahlend blauen Himmel zu zerstreuen. Er ging in Toivonens Büro und verlangte von ihm eine neue Dienstwaffe, da seine eigene offenbar noch bei den Kriminaltechnikern in Stockholm lag, weil die Nichtstuer von der internen Ermittlung den Arsch mal wieder nicht hoch bekamen.
»Was willst du mit der?«, fragte Toivonen und sah Bäckström finster an.
Das kann dir ja wohl scheißegal sein, dachte Bäckström, besann sich dann aber jedoch. Wenn man es mit vollkommenen Idioten wie Bäckström zu tun hatte, war es besser, die Formen zu wahren. »Ich bin Polizeibeamter. Ich habe das Recht auf eine Dienstwaffe, und es ist deine Schuldigkeit, mir eine zu besorgen.« »Wen wolltest du denn dieses Mal über den Haufen schießen, Bäckström?«, fragte Toivonen, der langsam munter wurde.
»Ich brauche sie für meinen persönlichen Schutz im Dienst sowie für die übrigen Aufgaben, die der Dienst erfordern könnte«, erwiderte Bäckström, der sich inzwischen das Nötigste angelesen hatte.
»Vergiss es, Bäckström«, sagte Toivonen und schüttelte den Kopf. »Sag doch einfach, wie es ist. Du hast Geschmack daran gefunden. Rumrennen und auf Leute schießen.«
»Ich verlange eine neue Waffe«, wiederholte Bäckström mit eisiger Stimme.
»Okay, Bäckström«, sagte Toivonen und lächelte freundlich. »Ich will versuchen, mich deutlich auszudrücken, und zwar so deutlich, dass selbst du es verstehst. Ich habe nicht die Absicht, dir eine neue Dienstwaffe zu geben, selbst dann nicht, wenn du mir anbietest, dass ich sie dir bei der Übergabe persönlich in deinen fetten Arsch schieben darf.« »Du bekommst eine schriftliche Anfrage«, sagte Bäckström, »mit Durchschlag an die Leitung und an die Gewerkschaft.« »Tu das, Bäckström«, sagte Toivonen. »Wenn dir die Leitung eine geben will, dann ist das deren Sache. Ich will nicht das Blut anderer Menschen an meinen Händen haben.« Weiter kamen sie nicht.
Am Abend gingen Toivonen, Niemi, Honkamäki, Alakoski, Arooma, Salonen und einige andere finnische Kollegen ins Restaurant Karelia. Sogar ein Kommissar Sommarlund hatte mitkommen dürfen, obwohl er eigentlich nur von den Älandinseln stammte. Männer mit ihren Wurzeln, von rechtem Schrot und Korn, mit dem Herz auf dem rechten Fleck, was Sommarlund anging, hätte er genauso gut auf dem finnischen Festland geboren worden sein können. Wollten sie feiern oder ihre Wunden lecken? Das spielte keine Rolle, einen Grund brauchten sie nicht, und es war genauso wie immer.
Sie hatten gedünstete Elchschnauze, Piroggen mit Lachs und Ei und Lammsteak mit gekochten Rüben gegessen, hatten Bier und Branntwein getrunken und »Kotkas Rose« gesungen, während sie immer wieder miteinander angestoßen hatten. »Kotkan Ruusu«, sagte Sommerlund mit verträumter Miene. Das muss wirklich ein erstaunliches Frauenzimmer gewesen sein. Bäckström hatte nicht gezaudert und eine seiner eifrigsten neuen Bewunderinnen aufgesucht, die ihm außerdem noch Fotos von sich gemailt hatte. Nach den Fotos zu urteilen, war sie einen Abstecher wert, und da sie mitten in der Stadt wohnte, konnte er auch gleich wieder gehen, falls sie das Verfallsdatum bereits überschritten haben sollte.
Vielleicht waren die Fotos ja nicht mehr ganz neu, dachte Bäckström eine Stunde später, aber sie war jedenfalls guten Willens gewesen. Die Supersalami hatte wie immer ihre Arbeit gründlich erledigt, und als er vor seiner
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