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Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption

Titel: Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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Wind weht durch den Park des Kolonialhauses. Die Häftlinge wurden in verschiedene Kommandos eingeteilt und sind seit Stunden damit beschäftigt, alles blitzsauber zu machen und zu schmücken. Die einen tragen kübelweise Wasser in die Zellen und Flure und wischen sie aus, bis überall ein künstlicher Zitronen- und Kiefernadelduft weht. Andere wurden von den Profosen angewiesen, die Zufahrten und Wege zu fegen und in den Blumenbeeten Unkraut zu jäten. Und im Hof sind Häftlinge beiderlei Geschlechts unter Leitung des Profoses Meier in einem Kreisbogen aufgestellt und proben.
    Wenn ein Jugendlicher in dem Begrüßungslied, das sie einüben, einen falschen Ton singt, gibt ihm Meier mit dem Schlagstock einen Klaps auf den Schenkel oder den Hintern, aber es ist wirklich nur ein Klaps und nichts Schlimmeres. Alabama gehört zu den begabtesten Sängern und wurde mit einem Solopart betraut. Glockenhell schwingt sich ihre Stimme über den Chorgesang, und Meier zollt ihr mit einem Augenzwinkern seine Anerkennung. Alabama wird dunkelrot. Collie, der mit seinem Wischtrupp vorbeizieht, versucht, ihren Blick auf sich zu lenken, doch die Kleine hat nur Augen für Meier. Ein Stück weiter schneidet Wendy mit ein paar anderen Mädchen Blumen, um das Refektorium und den Gebetsraum zu schmücken. Vor der Krankenstation hat sich eine Schlange von Häftlingen gebildet, die ihre Blutergüsse und Quetschungen behandeln lassen wollen. Nur Peter und die Verlorenen Jungs sitzen untätig unter einem Baum. Ihre Aufgabe war es, alles welke Laub auf den Wiesen zusammenzurechen, und sie haben einen großen Haufen aufgetürmt, den Ezzie mit seinem mächtigen Leib beschwert, damit der Wind die Blätter nicht wieder verweht. Peter sieht den Häftlingen zu, die sich unter dem Geschrei der Profose abschuften, und kaut auf einem Halm. Er ist überzeugt, dass Helliwell sie gesehen hat, aber es fällt ihm nicht ein, einen Finger zu rühren.
    »Was machen wir?«
    »Warten.«
    Peter spuckt seinen Halm aus und sucht sich einen neuen, auf dem er nervös herumkaut. Aus dem Augenwinkel sieht er, dass Helliwell sein Funkgerät ans Ohr hebt. Er spricht hinein, dann hängt er es an den Gürtel zurück und kommt auf die Verlorenen Jungs zu. Howard richtet sich auf. Peter rührt sich nicht. Der Schlagstock des Profoses prallt gegen den Baumstamm.
    »Schwingt euch, Faulpelze. Ich habe eine Sonderaufgabe für euch.«
    Howard hat beim Knallen des Schlagstocks auf Holz unwillkürlich den Kopf eingezogen. Er sieht ihn am Handgelenk des Profoses baumeln. Helliwell grinst und zeigt seine platten, kariösen Zähne. Er treibt das Kommando vor sich her am Trupp der Blumenpflückerinnen vorbei. Die Mädchen haben das Refektorium fertig geschmückt und flechten jetzt Kränze, die sie auf einem weißen Tuch stapeln. Peter versucht, Wendys Blick zu begegnen. Zum ersten Mal seit Langem hat er wieder das Gefühl, dass sein Mädchen glücklich ist.
    In den Fluren riecht es nach frischer Farbe. Der Profos rasselt mit den Schlüsseln und pfeift vor sich hin. Im Erdgeschoss neben der Treppe sperrt er ein Gitter auf, hinter dem eine Reihe feuchter Steinstufen abwärts führt. Neben dem Gitter ist eine Tür, die er ebenfalls entriegelt; dann tritt er beiseite, um die Häftlinge eintreten zu lassen. Der Raum ist ein sechs mal drei Meter großes Rechteck voller Metallregale, in denen Dutzende Schachteln mit rotem oder weißem Deckel stehen. An der Decke flackern zwei verstaubte Neonröhren.
    »Diese ganzen Schachteln müssen dort hinunter«, sagt der Profos. »Die Schachteln mit weißem Deckel stapelt ihr ordentlich im Keller, die roten kommen in den Brenner. Und zwar unbesehen: Hineinschauen verboten!«
    Die Häftlinge betrachten die aufgereihten Schachteln, unter deren Gewicht sich die Regalböden biegen. Auf den Deckeln stehen ein Zugangs- und ein Abgangsdatum. Jeder nimmt sich zwei Schachteln, nur Ezzie schafft die doppelte Menge, weil er sich zwei unter jeden Arm klemmt.
    Am Fuß der Treppe ist eine Tür, die uralt zu sein scheint. Der Profos betätigt einen Lichtschalter. Reihen von Neonröhren flammen nacheinander auf und erhellen einen langen Flur, dessen Wände aus mörtelverfugtem Bruchstein bestehen. Der Boden unter ihren Füßen führt leicht abwärts. An den Wänden sind etwa auf Schulterhöhe hier und dort eiserne Ringe zu erkennen, in denen einst Fackeln steckten. Eine Handbreit über dem Boden sind weitere Ringe einzementiert, mächtige, schwere Eisenteile, und der

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