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Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption

Titel: Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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auf das Kissen zurück.
    »Pete? Verdammt, Pete, bist du’s wirklich? Wo bist du denn die ganze Zeit gewesen?«
    »Jetzt bin ich hier.«
    »Du bist tatsächlich zurückgekommen!«
    »Ja.«
    Collie streckt seinen skelettartigen Arm aus, der an eine Morphiuminfusion angeschlossen ist, und greift mit spindeldürren Fingern nach Peters Hand.
    »Du hast dich verändert. Nicht sehr, aber immerhin.«
    »Du auch.«
    Gleich darauf muss er Collie stützen, damit der lachen kann, ohne zu ersticken. Auf seinem Kinn sind Blutspuren; Peter wischt sie mit einem Papiertuch ab. Collie legt sich wieder hin und fragt: »Bist du wirklich da, oder hab ich Halluzinationen?«
    »Ich bin wirklich da.«
    »Das heißt, ich kann die Augen zu- und wieder aufmachen, und du bist immer noch da?«
    »Ja.«
    Collie schließt die Augen. Dann öffnet er sie und lächelt. »Schön, dich wiederzusehen, Peter.«
    »Find ich auch, alter Bruder.«
    »Bist du gekommen, um mich rauszuholen?«
    »Ja, Collie. Ich lass dich nicht hier. Ich bin mit Wendy hier, sie wartet draußen.«
    »Wendy? O Scheiße, Pete, ich will nicht, dass sie mich so sieht.«
    »Keine Sorge. Sie hat auch Schiss.«
    Ein feuchtes Röcheln dringt aus Collies Kehle. »Würde es dir was ausmachen, meine Hand zu halten, falls ich einschlafe?«
    »Nein. Ich bleibe jetzt bis zum Ende.«
    »Und wann ist das?«
    »Ich nehme dich mit.«
    Collies Finger klammern sich in Peters Jacke. In seinem Blick flackert pure Panik.
    »Bitte lass nicht zu, dass sie mich in die Klärgrube schmeißen! Das tun sie hier, Pete. Wir sind Scheiße, und wenn wir sterben, kehren wir zu Scheiße zurück.«
    »Das werde ich auf keinen Fall zulassen, Collie.«
    »Weißt du, was gut wäre? Wenn man mich in einem schönen Keramikofen verbrennt und meine Asche nachher in einen Fluss streut. Ein Fluss ist gut.«
    Collie ist erschöpft. Manchmal gerät sein Atem ins Stocken; dann ringt er so verzweifelt nach Luft, dass ihm die Augen aus den Höhlen treten.
    »Ich bin immer noch in Redemption, weißt du?«
    »Das tut mir sehr leid, Collie. Ihr habt es leider nicht geschafft, rauszukommen. Ich schon.«
    »Daran ist unsere letzte Nacht dort schuld. Die ist der Grund, warum wir nie losgekommen sind. Wir sind ein Stück von Redemption geworden. Ein Stück Mauer und Stacheldraht. Wie die verfluchten Seeleute des Fliegenden Holländers , die ihr Schiff nicht mehr verlassen konnten und irgendwann am ganzen Körper mit Algen und Muscheln bewachsen waren. Was wir in dieser letzten Nacht getan haben, das hat uns nie mehr losgelassen. Es frisst uns auf. Manchmal denke ich, das wird sogar nach meinem Tod noch weitergehen, und das macht mir wirklich Angst.«
    »Nicht sprechen, Collie. Ruh dich ein bisschen aus.«
    »Nein. Ich möchte nicht damit abkratzen. Am Ende wache ich noch mit muschelverkrusteter Schwarte wieder auf. Ich will nicht mit dem Maul voller Muscheln enden, Pete, verstehst du das?«
    »Ist es wegen Alabama?«
    »Ja. Ich hab sie sterben lassen, ohne einen Finger zu rühren. Ich hatte eine Scheißangst, Pete, weißt du?«
    »Wir hatten alle eine Scheißangst, Collie.«
    »Schon, aber bei mir war es was anderes, ich hab sie geliebt.«
    Ein neuerlicher Hustenanfall zwingt Collie, sich aufzurichten. Peter stützt ihn behutsam, um ihm nicht wehzutun, und nimmt den Geruch nach Urin und Tränen wahr, den sein Kumpel verbreitet. Er wiegt ihn so lange in den Armen, bis Collie einschläft. Ab und zu hebt er den Kopf und sieht in den Regen hinaus, der ans Fenster peitscht, dann blickt er wieder auf das von der Krankheit verwüstete Gesicht. Er legt die Stirn an Collies Stirn. Der Sterbende stöhnt im Schlaf.
94
    Die Jugendlichen stehen reglos im Gebetsraum und warten, seit einer Stunde schon. Sie starren auf das Kruzifix hinter dem Pult. Aus den Lautsprechern knistert es. Draußen im Treppenhaus hallen Schritte und erregte Stimmen. Irgendwo im Gebäude fällt eine Tür zu. Ein paar, die schon im Begriff waren, sich niederzusetzen, besinnen sich, als sie den bangen Blicken der anderen begegnen. Die Profose belauern sie ununterbrochen – wie sie es anstellen, weiß man nicht, aber sie sehen alles. Die Häftlinge beobachten sich gegenseitig. Manche räuspern sich, andere scharren mit den Füßen. Peter flüstert in Howards Ohr: »Was ist denn schon wieder – was meinst du?«
    »Keine Ahnung. Hoffentlich nicht wieder ein Ausbruch.«
    Eine Tür öffnet sich, und der Reverend erscheint, flankiert von vier Vögten. Die Häftlinge halten

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