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Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption

Titel: Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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den Atem an. Ohne den Blick zu heben, umfasst Esterman mit beiden Händen die Kanten seines Pults und steht lange Zeit schweigend da. Nur seine Lippen bewegen sich lautlos, als betete er. Dann seufzt er tief.
    »Meine Kinder. Es sieht so aus, als hätte der Verbrecher, der vor einigen Wochen zu fliehen versucht hat, den Behörden eine Nachricht zukommen lassen. Morgen treffen Inspektoren des Jugendamts in der Stadt ein. Übermorgen werden sie hier sein.«
    Ein Murmeln läuft durch die Zuhörer. Die Gesichter der Vögte tragen Spuren von Handgreiflichkeiten. Ihre Augen sind blutunterlaufen, und Peter begreift, dass der Zorn des Reverends fürchterlich gewesen sein muss.
    »Was wir befürchtet haben, tritt jetzt ein, und siehe, die äußeren Mächte bedrohen unser Jerusalem. Sie sind der Schatten, und wir sind das Licht. Ich habe den Schwur getan, euch zu beschützen, und ich werde ihn halten. Sie werden das Gericht in unsere Mauern tragen. Sie werden nicht einsehen, dass allein die nackten Seelen und gezüchtigten Körper die Bollwerke Zions überwinden können.«
    Die Jugendlichen blicken zu jenen hinüber, die kleine metallene Flügel am Overall tragen. Kaum gereifte Mädchen und Jungen, Kinder noch, die der Reverend als Gespielen seiner Nächte auserkoren hat. Etliche stehen mit gesenktem Blick, andere wiederum recken stolz die Köpfe. Wieder hebt die Stimme des Reverends an.
    »Die Feldarbeit ist für heute ausgesetzt. Abends erhaltet ihr die dreifache Essensration, und ihr werdet früh schlafen gehen. Wenn sie euch morgen Fragen stellen, antwortet ihr aus reinem Herzen. Es liegt allein an euch, ob alles gut geht und die Außenstehenden dorthin zurückkehren, wohin sie gehören.«
    Der Reverend starrt auf die Hand, die sich über all die reglosen Köpfe und fiebrigen Blicke emporreckt. Ein junges Mädchen namens Rosie Carter erhebt sich halb aus der Bank. Ihre Sitznachbarin zerrt an ihrem Ärmel und versucht vergeblich, sie am Sprechen zu hindern.
    »Was gibt es, Rosie?«
    »Mein Gebieter, ich halte es für meine Pflicht zu melden, dass Laura Billings soeben gesagt hat, sie wird den Dämonen, die von draußen kommen, alles sagen.«
    Die Lippen des Reverends zucken nervös.
    »Stehen Sie auf, Laura Billings. Zeigen Sie uns Ihr Gesicht.«
    Laura gehorcht. Sie ist zu groß und zu dick. Ihr Gesicht strotzt von Pickeln, die sich, wenn sie sich schämt, röten wie Brandwunden.
    »Wir hören, Laura Billings.«
    Lauras Kinn beginnt zu zittern. Ihre Augen huschen fahrig über das versammelte Publikum, das sie anstarrt.
    »Ich schwöre, ich habe nichts gesagt.«
    Rosie Carter springt auf und versetzt Laura eine schallende Ohrfeige.
    »Du lügst, fette Kuh! Sag unserem Gebieter die Wahrheit!«
    Rosies Hand hat einen scharlachroten Abdruck in Lauras Gesicht hinterlassen. Laura rinnen die Tränen über die Wangen, und unter der Nase erblühen Rotzbläschen. Monatelang hat sie ihre Zunge gehütet – jetzt ist ihr ein einziges Mal ein halblauter Satz entfahren, und das ist ihr Verderben.
    »Ich habe gesagt, dass ich alles den Dämonen erzählen werde, aber das bereue ich jetzt.«
    Aus verzerrten Mündern und speichelfeuchten Lippen dringt erst Raunen, dann empörtes Geschrei. Laura sinkt in sich zusammen. Sie wischt sich den rinnenden Rotz ab.
    »Kommen Sie vor zu mir, Miss Billings.«
    Rosie Carter tritt Laura gehässig ans Schienbein, als die sich aus der Bank zum Mittelgang windet. Auf dem Weg nach vorn treffen weitere Fußtritte ihre Waden und Schenkel, einmal lässt sie der gut gezielte Stoß eines Knies furchtsam aufschluchzen. Sie hat das Podium beinahe erreicht.
    »Bleiben Sie, wo Sie sind.«
    Laura blickt in verzerrte Gesichter. Sie sieht Rosies hasserfüllte Miene. Sie waren wie Schwestern, sie und Rosie, und jetzt kennt die Freundin sie nicht mehr; das schmerzt am meisten.
    »Ich möchte Sie bitten, sich zu entkleiden, Miss Billings.«
    »Wie bitte?«
    »Sie belügen uns seit Monaten. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, dass Sie nackt vor uns stehen sollen, um Ihr Urteil zu empfangen.«
    »Bitte nicht! Bitte nicht das!«
    »Weshalb?«
    »Das dürfen Sie nicht!«
    »Nein, Laura, das ist nicht der Grund, und das wissen Sie. Sagen Sie uns, weshalb.«
    Die Häftlinge werden unruhig und rufen durcheinander: »Mach schon, Dreitonnenlaura! Sag uns, warum du dich immer unter der Bettdecke umziehst, warum du beim Duschen mit deinem fetten Hintern die Wand entlangschrammst!«
    »Ja, und sag uns auch, wie du’s machst, dass du

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