Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption
bei den Rationen, die wir hier kriegen, immer noch so fett bist!«
Laura will antworten, doch die Fragen prasseln zu rasch auf sie ein.
»Ein Wort von dir, und ich schicke dich fort, Laura. Willst du das?«
»Sie würden mich gehen lassen?«
»Selbstverständlich. Ein Telefonanruf, und du sitzt den Rest deiner Strafe fern von hier ab.«
Laura starrt in die boshaften Mienen und traurigen Augen.
»Alle hassen mich.«
»Aber nein, natürlich nicht. Du musst ihnen nur einen einzigen Grund geben, dich zu lieben.«
Eine Stimme im Raum sagt: »Na komm, Billings, bleib.«
Laura versucht vergeblich zu erkennen, wer der Sprecher war. Sie ist errötet und stammelt: »Und wenn sie mich hässlich finden? Wenn sie über mich lachen?«
»Sie sind deine Familie. Du musst es akzeptieren oder gehen.«
Laura keucht. Mit zitternden Fingern hantiert sie am Reißverschluss ihres Overalls. Darunter trägt sie ein T-Shirt und einen Schlüpfer, der ihr bis zum Nabel reicht. Sie lässt den Overall zu Boden fallen und tritt auf die Hosenbeine, um ihre Füße freizunesteln. Ihr milchweißer Bauch wogt, als sie Halt suchend nach einer Bank greift. Asthmatisch pfeift der Atem in ihrer Kehle. Sie schwitzt.
»Sehr gut, Laura«, ermutigt sie der Reverend.
Laura schließt die Augen und zieht ihren Schlüpfer aus. Ihre Wangen glühen dunkelrot. Sie verdeckt ihre Scham mit einer Hand und windet sich aus dem T-Shirt, das sie sich einhändig über den Kopf zieht. Ihre Achseln sind schwarz behaart. Prustend machen sich die Mädchen gegenseitig auf Lauras Brüste und Schenkel aufmerksam. Die Jungen sind erheitert.
»Laura Billings«, sagte der Reverend, »möchte geliebt werden und weiß nicht, wie sie es anstellen soll. Möchte ihr jemand dabei helfen?«
Eine Hübsche meldet sich: »Ich, ich!«, ruft sie eifrig. Sie ist schlank und strahlend, und als sie aufsteht, wirft sie ihre üppige blonde Mähne in den Nacken.
»Ich heiße Amber Chilton, und ich bin dafür, dass die fette Sau schleunigst die Fliege macht und aus unserem Jerusalem verschwindet, weil sie total eklig ist mit ihrem schlaffen Fettarsch. Hörst du, Billings? Du stinkst, du bist fett, und du verdienst es nicht, hier zu sein.«
Amber heischt um Zustimmung beim Publikum.
»Nur zu, Laura«, schaltet der Reverend sich ein, »das ist der richtige Augenblick.«
»Amber – möchtest du mir sagen, was ich an mir verbessern kann, damit du mich ein bisschen magst?«
Überrascht lässt Amber die Hände sinken.
»Meinst du das ernst?«
»Ja. Wenn du mir zeigen kannst, wie ich es anstellen soll, um eine Spur so hübsch zu werden wie du, wäre ich glücklich.«
Mit angewiderter Miene mustert Amber Lauras Bauch und Busen. »An dir ist doch alles total falsch. Du musst alles verändern, alles.«
»Möchte noch jemand Laura helfen?«
Eine große Dunkelhaarige steht auf und stellt sich als Audrey vor. »Vielleicht könntest du mal damit anfangen, dir nicht mehr heimlich den Bauch vollzuschlagen?«
»Ich bemüh mich ja, aber ich hab immer Hunger.«
»Dann iss wenigstens was anderes als immer nur Kartoffeln.«
»Was denn zum Beispiel?«
»Weiß ich nicht. Gemüse.«
»Und Wasser! Jede Menge Wasser!«
Dies kam von Amber. Laura dreht sich zu ihr.
»Und Milchprodukte, was ist damit?«
»Auf keinen Fall! Alles aus Milch setzt sich in null Komma nichts in der Wampe fest.«
Ein anderes Mädchen steht auf, dann noch eines; alle haben Anregungen.
»Du müsstest dich auch mehr pflegen.«
»Wie denn?«
»Fang mal damit an, dass du dich frisierst und die stinkenden Stellen gründlich einseifst.«
»Wenn du willst, zeig ich dir, wie man sich mit nichts schminkt.«
»Und du musst auch Bauchmuskelübungen machen.«
Laura betrachtet all diese perfekten Münder, die ihr Ratschläge erteilen. Sie entdeckt einen Anflug von Sympathie in den Augen, die sie ansehen. »Ja«, stammelt sie, »aber wenn ich Bauchübungen mache, dann stinke ich nachher doch noch mehr.«
»Na und? Vielleicht erlaubt dir der Reverend, abends noch mal zu duschen oder eine Waschschüssel in deiner Zelle zu haben.«
Laura blickt zum Reverend.
»Eine Waschschüssel. Ja«, sagt der. Und die anderen fragt er: »Wer will sich um Laura kümmern?«
»Ich! Ich überwache sie, damit sie sich nicht mehr vollstopft!«
»Und ich berate sie wegen ihrer Haare!«
»Ja! Wir helfen dir alle!«
Laura wischt sich mit beiden Händen ihre tränennassen Wangen ab. Sie denkt gar nicht mehr daran, dass sie nackt ist.
95
Ein lauer
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