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Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption

Titel: Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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geschafft, es ist ihm tatsächlich gelungen, alle drei der Wüste wieder zu entreißen, und jetzt fährt er, was das Zeug hält, Richtung Kalifornien. Er schließt die Augen. Nur eine Sekunde. Als er sie wieder öffnet, ist Miles’ Trompete verstummt. Barbaras Duft verebbt in der eisigen Luft aus der Klimaanlage.
13
    Rechter Hand erscheinen die Elektrozäune um den Luftwaffenstützpunkt Nellis. Links ist Wüste. Shepard passiert eine Reihe von Hinweisschildern, die im Wind wippen. Das erste zeigt einen halb verdursteten Cowboy neben einem Pferdeskelett. Das zweite eine Klapperschlange, deren vor Giftzähnen starrendes Maul zu grinsen scheint. Das dritte, geschickt fünfzig Meter weiter aufgestellt, verkündet:
    Barnes’ Kiosk!
    Kühle Getränke, Benzin und
Munition sämtlicher Kaliber.
    Letzte Station vor der Hölle.
    Verpassen Sie nicht Ihre Chance!
    Shepard biegt in die sandige Zufahrt ein, die ihn zu einem ausrangierten, zu einer Raststation umfunktionierten alten Pullmanwaggon führt. Er stellt den Wagen auf dem Parkplatz ab und tritt ein. Drinnen ist die Luft gesättigt mit Rauch und dem Geruch nach Bratfett. Er setzt sich an die Bar und bestellt ein Bier. Ein alter Mann knallt eine kältebeschlagene Flasche Budweiser auf die Theke. Gläser gibt es hier nicht. Shepard wirft einen Blick in den Saal. Ein altes Paar. Ein junges Paar. Eine einzelne Frau. Er trinkt einen Schluck Bier und fragt den Alten hinter der Theke: »Barnes, sind Sie das?«
    »Kommt drauf an, wer fragt.«
    Noch ein Schluck Bier. Es rinnt ihm wie eine Liebkosung die Kehle hinab.
    »Haben Sie von der Frau gehört, die heute früh in der Wüste verschwunden ist?«
    »Mit ihren zwei Kleinen? Ja. Mittags sind ein paar Ranger hier aufgekreuzt. Wollten wissen, ob ich sie gesehen habe. Nein, hab ich nicht.«
    »Hat sie nicht bei Ihnen gehalten, um zu tanken und Wasser zu kaufen?«
    »Nein. Dabei macht sie das sonst immer, jedes Jahr. Das weiß ich, weil eine so hübsche Biene schließlich nicht alle Tage in die Gegend kommt. Diesmal war sie allerdings nicht da.«
    Shepard stellt sein Bier ab. Es schmeckt auf einmal schal. Er legt fünf Dollar auf die Theke und tritt ins gleißende Wüstenlicht hinaus. Er mustert den Parkplatz. Reifenabdrücke, verrostete Getränkedosen, Burgerschachteln und hier und dort die Spur einer Klapperschlange im Sand. Er blickt zu den Deadlands hin. Vor ihm die Spring Mountains. Hinter ihm das Naturschutzgebiet von Clark County.
14
    Shepard fährt schneller, je tiefer die Sonne sinkt. Er sagt sich, dass Barbara nur deshalb nicht bei Barnes gehalten hat, weil das Flugzeug mit Verspätung gelandet ist und sie bis zum Einbruch der Nacht so viele Meilen wie möglich hinter sich bringen wollte. Shepard beißt sich auf die Lippen. Vergebens versucht er, sich einzureden, dass es so war – er weiß doch, dass sie sich niemals ohne Wasservorräte in die Deadlands gewagt hätte. Es sei denn, sie hat sich schon in Las Vegas eingedeckt.
    »Das tut sie nie, Shep.«
    Er wischt sich die Stirn und dreht die Klimaanlage eine Stufe höher. Bis heute Morgen, bis zu der Sekunde, in der mit einem Knall seine Welt zusammengebrochen ist, hat er sich oft mit einer Mischung aus Respekt und Entsetzen gefragt, wie Menschen nach einem echten Schicksalsschlag die Kraft finden, um weiterzuleben. Nach einer Tragödie, wie ihre Freunde Mark und Naomi Stern sie erlebt haben.
    Naomi starb im vergangenen Winter an einem Krebs, der ihre Eierstöcke und die linke Brust zerfressen hatte. Im sechsten Schwangerschaftsmonat erfuhr sie die Diagnose. Der Onkologe erklärte ihnen, dass die Schwangerschaft das Krebswachstum beschleunige und sie noch maximal eine Woche hätten, um mit der Therapie zu beginnen. Ob das Baby die Behandlung überleben würde, wollte Naomi wissen. Der Onkologe schüttelte den Kopf.
    »Und was ist im andern Fall?«
    »Andernfalls behalten Sie Ihr Baby, bis es lebensfähig ist, und wir holen es mit Kaiserschnitt. Dann überlebt es. Sie nicht.«
    An diesem Tag, erinnert sich Shepard, kamen die Sterns zu ihnen, um sich Rat zu holen. Sie hatten keinen anzubieten. Barbara weinte in den Armen ihrer Freundin, und er betrank sich mit Mark draußen auf der Terrasse. Ein paar Tage später traf ihn Shepard in einer Bar, wo Mark eine Flasche Tequila leerte. An seinem tränennassen Gesicht erkannte Shepard, dass Naomi beschlossen hatte, ihrem Baby das Leben zu schenken.
    Vier Wochen später wurde es überstürzt auf die Welt geholt, während für seine

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