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Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption

Titel: Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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nehmen.«
    Chandler stößt an die Ecke seines Schreibtischs.
    »Ich bitte Sie, Ezzie, lassen Sie mich Ihnen helfen.«
    »Ich weiß, was Sie denken, Doc. Sie denken, dass Sie wahnsinnig leiden und dass dieses ganze Leiden so stark ist, dass es Ihnen gleich den Schädel sprengt, aber glauben Sie mir – was echtes Leiden ist, wissen Sie nicht. Keinen blassen Schimmer haben Sie. Auf diesem Weg aus Stein und Feuer haben Sie gerade mal den ersten Schritt gemacht, aber ich bin ihn so weit gegangen, wie man sich vorstellen kann. Sie denken jetzt sicher, dass Sie sich ja eine neue Familie zulegen können, mit einer Frau, die Sie respektiert, und anderen Kindern, die Sie ausklopfen werden, damit sie ›Ja, Papa‹ und ›Okay, Papa‹ sagen und ›Ich hab dich lieb, mein liebster Papa‹. Blöd ist nur, dass das nicht vorgesehen ist, verstehen Sie?«
    Dr. Chandler versucht verstohlen hinter seinem Rücken den Telefonhörer abzunehmen. Er muss nur 911 wählen und es läuten lassen. Die letzte Taste in der vorletzten Reihe unten rechts, dann zweimal die erste Taste oben links. Drei Zahlen. Nur drei Zahlen.
    »Warum haben Sie das mit mir gemacht?«
    »Ich habe nichts mit Ihnen gemacht, ich schwör’s Ihnen.«
    »Ach, schwören Sie nicht, Dr. Chandler. Der Herr kommt, um zu ernten und die Finger zu zählen, die sich ihm entgegenstrecken. Die Flammen der Hölle erwarten Sie und Ihre hässlichen plärrenden Blagen. Flammen der Vergeltung für das, was Sie mit meinem Kopf angestellt haben und weil Sie Ihr dreckiges Viehzeug nicht ausgeklopft haben. Sie sind das Schaf, und ich bin der Wolf. Also schwören Sie nicht auch noch.«
    Chandler hat es geschafft, den Hörer abzunehmen. Er unterdrückt einen Laut des Entsetzens, als er die blutige Messerklinge erblickt, die Ezzie aus dem Futteral in der Brusttasche seiner Jacke gezogen hat. Eine lange Klinge aus brüniertem Stahl, ein Messer, wie es die Jäger benutzen, um ihre Beute auszuweiden. Der Psychiater hat die Neun gefunden. Mit zitternden Fingern tastet er sich aufwärts. Ezzie beobachtet unterdessen die Uhr an der Wand und lächelt.
    »Jetzt haben wir unseren Termin, Doc«, sagt er.

V
    Der Pakt
46
    Als Peter erwacht, ist es ringsum finster und kalt. Es riecht nach Moos und Salpeter. Er fährt sich mit einer Hand über den Hinterkopf und ertastet eine hühnereigroße Beule. Er hat das Gefühl, dass sich der Schlag auf den Kopf durch seinen ganzen Körper ausgebreitet hat. Er hält sich die Hand vors Gesicht und zwinkert mehrmals, weil er nicht glauben kann, dass seine Augen wirklich offen sind. Er bewegt die Finger. Aber er kann die Lider so weit aufreißen, wie er will, er sieht seine Hand nicht. Er sieht gar nichts. Panik packt ihn. Die Dunkelheit ist so undurchdringlich, dass sie sich wie lebendig anfühlt, wie etwas Zuckendes, Pochendes, das ihm durch Nase und Mund eindringt, eine Flüssigkeit, die in seine Lunge sickert. Blindlings tastet er seine Umgebung ab. Er sitzt an einer Steinmauer, die staubig und voller Spinnweben ist. Der Boden unter ihm ist fester Lehm. An den Füßen fühlt er es krabbeln, fühlt winzige Krallen über seine Fersen die Waden hinaufklettern, und er schüttelt das Wesen angewidert ab. Auch am Fuß der Mauer ertasten seine Finger jetzt etwas Warmes, Pelziges. Er greift danach, spürt Haut und Fell und Knochen darunter. Und am einen Ende einen dünnen, kühlen Fortsatz, fest wie ein Stück Schnur. Spitze Zähnchen schlagen sich in Peters Handballen, und er drückt seinerseits fest zu. Es quiekt, und irgendetwas spritzt ihn warm an. Peter nähert noch einmal die Hand dem Gesicht. Es riecht nach Ratte. Er hält sich die Hand so nah vors Gesicht, dass er sich fast mit den Fingerspitzen in die Augen sticht.
    »Scheiße, Mann, ich bin blind!«
    »Reg dich ab, Peter, du bist nicht blind, hier drin ist es einfach stockfinster.«
    »Howard, bist du das?«
    »Ja, Mann.«
    Angestrengt starrt Peter in die Dunkelheit und hofft, dass seine Augen sich allmählich gewöhnen, doch es ist alles immer nur dasselbe beängstigende, undurchdringliche Schwarz.
    »Wo sind wir?«
    »Im Karzer. Hier wurden früher die widerborstigen Kriegsgefangenen eingesperrt. Nicht zu fassen, oder? – Die Ärsche behandeln uns wie Yankees!«
    »Und du, wo bist du?«
    »Im Verlies neben dir.«
    »Verrückt, wie gut man dich hört. Als wärst du direkt neben mir.«
    »Das liegt an den Lüftungsschächten.«
    Peter beugt sich vor. Tatsächlich weht ein Luftzug dicht über dem Boden dahin,

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