Sünden der Leidenschaft
unentdeckt abreisen können?« Obwohl James und der Graf in ihren Zimmern geblieben waren, hatte Ned womöglich doch erfahren, daß sie in der Stadt waren.
»Unsere Männer können nur über Umwege in den nächsten vierundzwanzig Stunden aus der Stadt reiten. Ich werde Joseph bitten, sie zu benachrichtigen, wenn er kommt. Sie und ich werden das Hotel heute nacht verlassen. Wir treffen uns dann alle morgen abend in Lucas Landing.«
Als Joseph James’ Suite betrat, brachte er Neuigkeiten aus der Stadt mit. Curly hatte ihm berichtet, daß gerade eine elegante Dame aus dem Zug gestiegen sei – die Comtesse de Chastellux, die in den Staub und die Augusthitze zurückgekehrt war, modisch gekleidet, mit einem eleganten Seidenschirm, der sie vor der sengenden Sonne schützte. Bevor sie die paar Schritte zur Bahnstation gegangen war, hatte sie ein guter alter Bekannter eingeholt – Ned Storham. Die beiden hatten lange miteinander gesprochen, wie Curly berichtet hatte. Und dann waren Ned und Isolde zusammen in dieselbe Kutsche gestiegen. Sie waren jetzt im Palace Hotel.
James fluchte.
»Haben Sie sie denn nicht hier erwartet?« fragte der Graf. Nach seiner Erfahrung verzichteten Frauen wie Isolde ohne einen langwierigen Kampf nicht auf Geld und Titel.
»Adam hat telegrafiert, daß er ihr Geld gegeben habe, damit sie endgültig aufgebe. Offensichtlich war sie in Saratoga. Die Einzelheiten kenne ich noch nicht.«
»Das war sicher interessant für Flora«, sagte ihr Vater lächelnd.
James stöhnte. »Mehr als interessant, so wie ich Isolde kenne.«
»Ihre Anwesenheit ändert doch nichts an unseren Plänen, oder?«
»Nein, aber es kostet immer teuflisch viel, wenn Isolde in der Nähe ist. Ich hoffe, Adam hat eine Idee, wie man mit ihr umgehen kann, denn ich tendiere zu eher drakonischen Maßnahmen.«
Am Morgen des 30. schien die Sonne strahlend, und die Hitze flimmerte schon um acht Uhr morgens. James, der Graf und eine kleine Gruppe von Begleitern beobachteten von einem entfernten Weg aus, wie die beiden Waggons von Adam auf einem Nebengleis abgekoppelt wurden. In den Wagen rührte sich nichts, bis der Zug außer Sichtweite war. Dann öffneten sich die Türen des Pferdetransporters, die Rampen wurden gebracht und die Pferde herausgelassen.
James beobachtete, wie Adam Lucie heruntertrug, während Henry Flora half. Als letzte stieg Mrs. Richards aus. Adam schaute direkt in James’ Fernglas und lächelte. Nachdem alle ausgestiegen waren – Adam trug Lucie auf dem Arm –, kam die kleine Gruppe auf den Weg zu, wo James und der Graf auf sie warteten.
Sie hatten sich versteckt gehalten, damit das Zugpersonal niemandem berichten konnte, daß Adam von einer bewaffneten Eskorte empfangen worden war. Bei ihrer Reise nach Norden zählte jeder Vorteil. Sie hätten nur etwa drei Stunden Vorsprung vor Ned Storham, und da sie mit Frauen und einem Kind reisten, war dieser Vorsprung sehr gering, falls sie verfolgt werden würden.
Isolde allerdings blieb bei diesen Überlegungen eine unsichere Größe. Durch ihre Anwesenheit konnten sich alle Pläne plötzlich ändern.
Adam begrüßte James lächelnd und sagte zu Floras Vater: »Guten Morgen, Sir.« Er dankte allen, daß sie nach Süden geritten waren, um sie nach Hause zu begleiten.
Flora bekannte sich ebenfalls, küßte ihren Vater zur Begrüßung und murmelte: »Saratoga war toll.«
Lucie plapperte: »Georgie, wir werden uns scheiden lassen und Flora heiraten.«
Bei dieser voreiligen Ankündigung seiner Tochter unterbrach Adam abrupt das Gespräch mit James, wandte sich zum Grafen und sagte: »Es tut mir leid, Sir, ich wollte Sie formeller gefragt haben … nachdem die Situation … nun …«
»Das ist nicht nötig, mein Junge«, warf der Graf ein. »Ich bin, genau wie Lucie, ein Komplice, denn ich habe Flora in den Osten geschickt. Ich hoffe, daß es jetzt keine Probleme mehr gibt.« Er erwähnte Isolde mit keinem Wort.
Auch James sprach nicht von ihr, bis sie endlich unterwegs waren und er die Gelegenheit hatte, mit Adam allein zu sprechen.
»Isolde ist am Samstag in Cheyenne eingetroffen«, sagte er ruhig, während er zu Lucie hinübersah, die sich mit dem Grafen unterhielt.
Heiße Wut stieg in Adam auf. »Bist du sicher?«
»Curly hat sie gesehen.«
»Ich weiß nicht, warum ich überrascht bin«, sagte Adam kurz angebunden. »Sie ist schwanger und sucht nach einem Vater für ihr Kind.«
»Dich?«
»Ich dachte, ich hätte ihr das ausgeredet, aber wie konnte ich
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