Sünden der Leidenschaft
nächsten Morgen – die Sonne ging gerade auf – setzten sie ihre Heimreise fort.
Sie waren zwei Tage hinter Isolde zurück, die ebenfalls mit der Union-Pacific-Eisenbahn in den Westen reiste. Die Comtesse de Chastellux hatte verschiedene Gründe, nach Montana zurückzukehren. Allerdings hing keiner davon mit einer Scheidung zusammen.
In demselben Zug, mit dem auch Isolde reiste, wurde ein Sarg mit Frank Storhams Leiche im Gepäckwagen transportiert. Sein Bruder Ned war bereits gen Süden zum Endbahnhof unterwegs, um die sterblichen Überreste seines Bruders dort abzuholen.
James und Lord Haldane waren in Cheyenne eingetroffen, wo sie ein zweites Telegramm vorfanden, das im Forsyth-Hotel angekommen war und die Neuigkeiten über die Verzögerung aufgrund der Erkrankungen enthielt. Diese Verspätung erhöhte die Chancen, daß Ned Storham vor Adam in Cheyenne eintraf.
James hoffte, jede auch noch so flüchtige Begegnung vermeiden zu können.
Kapitel 22
Die Lage wurde bedrohlich, als Ned zwei Tage später in Begleitung seiner gemieteten Revolverhelden in Cheyenne einritt. Beim Frühstück am nächsten Morgen überdachten James und der Graf ihre Möglichkeiten.
»Dies hier ist nicht der richtige Ort für einen Kampf«, sagte James. »Wir müssen dafür sorgen, daß Lucie und Flora nicht in Gefahr geraten. Wenn sie in Sicherheit sind, können wir uns mit Ned Storham und seinen Männern befassen. Wir hätten sie im letzten Frühling alle umbringen sollen«, murmelte er leise und nahm noch einen Teelöffel Zucker in seinen Kaffee. »Aber«, seufzte er, »Adam vertrat eine humanere Auffassung.«
»Wir haben keine Ahnung, wann Adam und Flora eintreffen werden«, bemerkte George Bonham gedankenvoll. »Wir wissen nur, daß sie sich verspäten.«
»Ein verdammter Balanceakt.«
»Dann warten wir einfach ab?« Der Graf erhob sich abrupt von seinem Stuhl und ging zum Fenster, um die Straße übersehen zu können. Er blickte auf die belebte Durchgangsstraße hinunter, die zum besten Hotel von Cheyenne führte, und fragte leise: »Was ist mit dem Sheriff?«
»Er wird nichts unternehmen.«
George Bonham drehte sich um: »Sind Sie sicher?«
»Es wäre glatter Selbstmord, sich mit Neds Truppe anzulegen, und das weiß er. Die Gerichte können vielleicht den einen oder anderen von seinen Killern verurteilen, aber das hilft einem nicht, wenn man erst mal tot ist. Die Gerichte hier sind ziemlich … flexibel mit ihren Urteilen, könnte man sagen. Zum Teufel, wir brauchen hier nicht einmal Gerichte, um zu verurteilen und zu hängen. Die Bürgerwehr hat vor einigen Jahren in Virginia City zweiunddreißig Männer gehängt. 16 Niemand hat sie daran gehindert, niemand hat auch nur in Erwägung gezogen, sie vor Gericht zu bringen.«
»Wie viele von unseren Männern sind in der Stadt?« Der größere Teil des Absarokees hielt sich in einem Lager weitab von der Straße auf, in den Bergen nördlich der Stadt. Diejenigen, die sie nach Cheyenne begleitet hatten, waren Arbeiter von der Ranch, die nicht viel Aufsehen erregen würden.
»Acht. Das sollte reichen, vorausgesetzt, wir finden heraus, wann Adam und Flora eintreffen. Ich möchte nicht jedesmal am Bahnhof stehen, wenn ein Zug ankommt, und Ned so auf die Idee bringen, daß Adam noch nicht in Cheyenne war. Ich hoffe, er nimmt an, daß Adam weitergereist ist.«
»Beobachtet Curly den Bahnhof?«
James nickte. »Wir wollen hoffen, daß er uns früh genug warnen kann.«
Doch dann traf am Samstag ein kurzes Telegramm im Hotel ein. Der Inhalt lautete: »30LL8.« Es war unterschrieben mit »CiCi.«
»Adam kommt nicht in Cheyenne an«, sagte James lächelnd und überließ dem Grafen das Telegramm. »Wir treffen ihn um acht Uhr am Morgen des 30. in Lucas Landing. Das ist die letzte Station östlich vor der Stadt.«
»Sind Sie sicher, daß das von Adam stammt?« Die verschlüsselte Botschaft klang merkwürdig.
»CiCi ist ein Name, den nur ich kenne. Adam ist Gott sei Dank vorsichtig und ahnt, daß Ned Storhams Leute den Bahnhof beobachten.« James erwähnte nicht, daß der Spitzname eine Anspielung auf Adams Adelstitel war, Comte de Chastellux. Der Spitzname war von einer schönen Lady erfunden worden, die sich ihm lüstern und einschmeichelnd genähert und auf einem Fest in Paris »ci-ci« (»hier, hier!«) zu ihm gesagt hatte, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Sie hatte damit natürlich Erfolg gehabt, und der sportliche Spitzname war Adam erhalten geblieben.
»Werden wir
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