Sünden der Leidenschaft
angesehen?« fragte Flora. »Entschuldigen Sie, wenn die Frage unangemessen klingt, aber es scheint Ihnen mit Ihrem Erbe hier gut zu gehen.«
»Ich verfüge dadurch über ausreichend Geld«, antwortete Adam ungerührt. »Und ein Adelstitel ist nicht zu verachten, weil er in der sogenannten ›besseren Gesellschaft‹ wertvoll ist. Das konnte man in Montana bei Richter Parkman ja sehen. Das bedeutet einfach, daß meine Hautfarbe und meine langen Haare entschieden weniger zählen als mein Reichtum und mein Familienwappen.« Er zeigte ein breites Grinsen.
»Das ist sehr ungewöhnlich«, stellte Flora ironisch fest. Sie hatte einen guten Einblick in die gesellschaftlichen und kulturellen Verhältnisse und betrachtete den Dünkel der feinen Gesellschaft mit wohlbegründeter Ablehnung. Ganz für sich dachte sie, daß Adams Ruf als Gewehrschütze ein weiterer Grund für die Toleranz der feinen Gesellschaft von Virginia City an dem Abend bei Richter Parkman gewesen sein mochte.
»Sind Sie denn eine Anhängerin des einfachen Lebens?« erkundigte er sich in einem provozierenden Ton und betrachtete dabei das Modellkleid, den Schmuck, ihre gelangweilte Haltung und das Glas Champagner in ihrer Hand.
»Allerdings bin ich das oft«, antwortete sie sanft auf seinen bitteren Unterton. »Ich nehme an, Sie haben wie ich von klein auf gute Manieren gelernt, und auch Sie haben Ihr Erbe nicht abgelehnt. Das heißt aber noch lange nicht, daß ich so wie alle anderen sein muß.«
Amüsierte erkundigte sich der Graf: »Führen wir jetzt eine Diskussion über Demokratie? Beide hattet ihr zumindest amerikanische Mütter, was ja wohl ein sehr wesentlicher Punkt bei diesem umstrittenen Thema sein dürfte.«
»Papa, hier streitet niemand. Der Abend ist zu schön, um Meinungsverschiedenheiten zu haben. Möchtest du noch einen Cognac?«
»Nein, ich muß noch meinen Bericht schreiben.« Der Graf stellte sein leeres Glas ab. »Wenn ihr mich jetzt entschuldigen wollt. Ich kann allein nach oben gehen. Bis morgen dann«, sagte er zu Adam gewandt. »Und du bleib nicht zu lange auf, Flora«, mahnte er seine Tochter mit väterlicher Sorge.
»Das werde ich nicht, Papa.« Als ihr Vater das Zimmer verlassen hatte, sagte Adam: »Bleiben Sie immer lange auf?«
»Gelegentlich.«
»Und Sie schlafen lange …« Sie ist genau wie meine Frau und alle anderen Damen der Gesellschaft, dachte Adam.
»Nein, das nicht. Sie vielleicht?«
»Nein, ich habe jeden Tag so viel zu tun, und Lucie steht sehr früh auf.«
»Sie ist eine vollendete Reiterin.«
»Ihr Cousin ist ein guter Lehrer.«
»Das hat sie erzählt.«
»Wir haben Glück, daß so viele von meinen Verwandten in der Nähe leben.«
»Lucie hat mich zu ihren Unterkünften unten am Fluß geführt.«
»Ja, das hat sie mir gesagt.«
Sie schwiegen verlegen, denn beide bemühten sich, ein unverfängliches Gespräch zu führen, obwohl sie sich an ihr leidenschaftliches Zusammensein erinnerten.
»Ich …«
»Ich bin …«
»Du zuerst«, sagte Adam in ruhigem Ton. Flora schluckte, bevor sie sprechen konnte, und dachte daran, daß sie seit ihrer Jugend nicht mehr so verlegen gewesen war. »Es tut mir leid, wenn ich dir nicht gelegen komme.«
»Ich habe dich nicht erwartet.«
»Offensichtlich.«
»Entschuldige bitte.«
»Gibt es eine andere? Ich möchte mich nicht einmischen.«
»Eine andere?«
»Ja, eine andere Frau.«
Er überlegte einen Moment. Eine Lüge würde ihn aus seinem Dilemma erlösen. »Nein», sagte er dann.
»Also fühlst du dich nur wegen mir unwohl?«
»Nein. So einfach ist es nicht, und das weißt du auch«, murmelte Adam.
Flora starrte kurz auf ihr Glas, bevor sie ihm in die Augen sah. »Du bist müde, und ich störe dich«, stellte sie freundlich fest.
»Nein, ich bin nicht müde, und … du störst nicht.« Er seufzte.
»Du bist sehr offen.«
»Das glaube ich nicht.«
Flora lehnte sich im Sofa zurück und schaute ihn nachdenklich an. »Also mißtrauisch.«
Er zog die Augenbrauen ein bißchen hoch und sagte: »Vielleicht.«
»Soll ich warten, bis du mich fragst? Ich weiß nämlich nicht, ob ich fragen soll.«
»O Gott, Flora … Sag das nicht«, er schloß für einen Moment seine Augen. »Es tut mir leid, ich sollte behutsamer sein.« Er grinste, als ihm ein schamloser Gedanke durch den Kopf schoß. »Behutsamer Sex?« fragte er mit schelmischem Blick. »Das könnte interessant sein.«
Sie lächelte zurück: »Wir können es ausprobieren, obwohl ich nicht glaube, daß
Weitere Kostenlose Bücher