Sünden der Leidenschaft
zurück und sagte unbefangen: »Ich denke, du hast recht.«
»Cloudy sagt, du bist eine unabhängige Frau«, fuhr Lu-cie in ihrer offenen, arglosen Art fort, »und sie findet es großartig, daß irgendwo in England vor einem Club alter Männer ein Aufsatz von dir vorgelesen worden ist, und sie sagt, daß es mehr Frauen geben sollte, die so gebildet sind wie du. Sie unterrichtet mich in Griechisch und Latein und vielen anderen Sprachen, von denen sie sagt, daß nur Jungen sie lernen. Papa läßt ihr freie Hand. Ich glaube, sie macht das gern, und sie ist eine gute Lehrerin, weil ich schon lesen kann. Papa sagt, daß es nicht viele vierjährige Kinder gibt, die schon lesen können.«
»Du kannst sehr froh sein, daß du Cloudy hast. Mein Papa hat mich auch alles lernen lassen, was andere Mädchen niemals lernten. Ich wurde wie du völlig frei erzogen, allerdings in verschiedenen Ländern.«
»Papa hat mir gesagt, daß ich dieses Jahr mit ihm reisen kann, wenn ich möchte. Cloudy verreist nicht gern, aber ich bin jetzt alt genug und brauche keine Kinderfrau mehr. Deshalb kann ich auch verreisen. Papa läßt seine Rennpferde überall starten. Vielleicht bist du dann auch in Paris.«
»Das wäre schön. Und du mußt nach London kommen und mich besuchen.«
»Das werden wir«, antwortete Lucie selbstbewußt. »Und wir werden Aleppo auf euren Rennbahnen laufen sehen.«
Der kleine Stamm der Absarokees gelangte erst nach Mitternacht in das einsame Bergtal. Anfangs war die Gruppe langsam durch die Flüsse gewandert, um keine Spuren zu hinterlassen. Als sie schließlich viele Meilen weiter ans Ufer stiegen, verwischten die Kundschafter die Spuren auf dem Steilufer.
Trotz der späten Stunde herrschte eine große Geschäftigkeit im Lager. Alle halfen, die Wigwams aufzubauen. Nach kurzer Zeit waren genügend Unterkünfte fertig, so daß alle Unterschlupf vor der kalten Bergluft fanden.
Kleine Feuer brannten in den Wigwams, das Essen wurde zubereitet, man legte die Kinder schlafen, besprach zufrieden die Ereignisse des Tages.
Nachdem die Krieger kürzlich auf Büffeljagd gewesen waren, hatten sie genügend Vorräte angelegt, um bequem in diesem Tal bleiben zu können und abzuwarten, bis die Miliz sich wegen des einbrechenden Winters wieder in die Städte zurückziehen würde. Nur die jungen Krieger wünschten sich nichts mehr, als gegen die Freiwilligenarmee zu kämpfen. Seitdem die weißen Männer vor vier Jahren in ihr Land eingedrungen waren, um Gold zu suchen, betrachteten die meisten Indianer den Kampf als das einzige Mittel zur Lösung ihrer Probleme.
Die Crows waren ein kleiner Stamm. Selbst wenn man beide Gruppen zusammenrechnete – die Crows aus den Bergen und jene vom River Crow – betrug ihre Zahl nur etwa 4000 Personen. Ihre Häuptlinge hatten schon 1925 begriffen, daß sie nur mit den weißen Männern zusammen überleben konnten. Der heutige Tag war einfach nur ein weiterer Abschnitt auf der langen Reise ihres Schicksals.
Adam, James und White Otter saßen am Feuer in Adams Wigwam, die anderen hatten sich bereits in ihre eigenen Zelte zurückgezogen. Nur die jungen Männer, die wie Brüder aufgewachsen waren, blieben noch zusammen. Sie hatten gegessen und geraucht und die verschiedenen Varianten von Thomas Meaghers möglicher Route besprochen, hatten sich Geschichten aus ihrer Jugend erzählt und über ihre Streiche und Abenteuer gelacht. Ihre Stimmen waren heiser, als die Nacht sich dem Ende zuneigte und sie müde wurden.
Aber ihre Reise war sicher gewesen.
Hier war der Stamm außer Gefahr.
Ein Gefühl der Zufriedenheit ließ sie die unausweichlichen Probleme der Zukunft für einen Augenblick vergessen.
Die Klappe vom Zelteingang wurde hochgehoben, und eine Frau trat ein. Sie trug eine Schüssel mit kleinen Kuchen. »Wenn ihr nicht schlafen geht, wollt ihr vielleicht ein paar Haselnußkuchen.« Spring Lily lächelte die Männer an.
»Ich sollte längst schlafen«, sagte James und nahm einen von den kleinen gebratenen Kuchen aus der Schüssel. »Und wenn ihr mich jetzt entschuldigt, werde ich das auch tun.«
»Ich begleite dich«, sagte White Otter. »Ich habe gar nicht gemerkt, wie spät es schon ist.« Er warf Adam einen vielsagenden Blick zu.
Innerhalb weniger Sekunden waren Adam und Spring Lily allein.
»Meine Freunde sind nicht sehr zartfühlend«, entschuldigte sich Adam lächelnd.
»Vielleicht bin ich das auch nicht«, sagte Spring Lily und stellte die Schüssel hin.
»Du bist es nie
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