Sünden der Leidenschaft
ihres Vaters, so daß Sarah sie mit offenen Armen und einem herzlichen Lächeln empfing.
»Wie schön, daß du gekommen bist, Liebling«, rief sie und nahm Flora in die Arme. »Es ist schon eine Ewigkeit her, daß ich dich gesehen habe. Komm und erzähl mir alles«, fügte sie freundlich hinzu, nahm Floras Hand und führte sie in das kühle, im Schatten liegende Haus am Franklin Square. »Du mußt hungrig sein.«
»Henry hat mich gut verpflegt«, sagte Flora lächelnd.
»Das ist der Grund, weshalb dein Vater ihn so gut bezahlt. Er ist ein Goldstück. Sogar deine Mama liebte ihn, obwohl sie deinen Vater nur äußerst ungern mit jemandem teilte. Laß uns in den Garten gehen, da ist es schön kühl.«
Sarah zog Flora durch den kleinen Salon, von wo aus man durch die Flügeltüren in eine blühende grüne Laube kam.
Nachdem sie sich gesetzt hatten und der Diener den Tee gebracht hatte, sagte Sarah: »Dein Vater hat zwar ein Telegramm geschickt, aber du weißt ja, wie verschlüsselt diese kurzen Nachrichten sind. Was also hat dich so kurzfristig nach Saratoga geführt?« Sie benahm sich sehr diplomatisch, denn aus den drei Telegrammen, die George Bonham aus Cheyenne geschickt hatte, war ihr Floras Dilemma bekannt, obwohl aus Diskretionsgründen keine Namen angegeben waren.
»Papa hat mir vorgeschlagen, hierher zu kommen.« Flora seufzte. »Ich hatte acht Tage Zeit, um über meine unzähligen Vorbehalte und Absichten bezüglich dieser Reise nachzudenken. Papa glaubt, daß Adam Serre mir einen gewissen Trost geben kann.«
»Brauchst du Trost?« Sarah Gibbon sprach mit diskreter Ruhe, denn nach ihrer Meinung war Adam Serre der letzte Mann, der eine Frau trösten konnte.
»Ich bin mir nicht ganz klar darüber, was ich will, und hättest du mich das vor einigen Monaten gefragt, dann wäre sicher kein Mann für das Durcheinander meiner Gefühle verantwortlich gewesen. Meine Arbeit war mir immer das Wichtigste und mein größtes Vergnügen.«
»Und nun kannst du an nichts anderes mehr denken als an deine Erlebnisse mit Adam Serre?«
Flora zuckte die Schultern und nahm sich eine Praline. »Ißt du auch, wenn du frustriert bist?« fragte sie und biß in das zarte, gekühlte Konfekt. »Gott sei Dank war Henry immer da, um mich mit Süßigkeiten zu versorgen.« Sie lächelte offenherzig.
»Auch mir hilft ein Bonbon ab und zu«, stimmte ihre Tante zu. »Aber was willst du jetzt unternehmen?« Sarah blieb beharrlich. Sie wollte die Einzelheiten von ihrer Nichte erfahren, die ihr Schwager in den Telegrammen nur angedeutet hatte.
»Adam Serre für mein verdammtes Unbehagen bezahlen lassen«, erwiderte Flora mit einem Lächeln. »Und für die Extrapfunde, die mir meine Frustration einbringt.«
»Du siehst blendend aus, Liebling. Es besteht kein Grund, ihn dafür bezahlen zu lassen. Aber andererseits tut es nicht weh, sich ein wenig an den Männern und ihrem oberflächlichen Chauvinismus zu rächen, den sie in die Wiege gelegt bekommen«, fügte sie süßlich hinzu und zog eine Augenbraue verschmitzt nach oben.
»Genau das habe ich vor – mich zu rächen«, erklärte Flora liebenswürdig. »Trotz gelegentlicher Erkenntnisse, die mich zur Vorsicht mahnen. Nach acht Tagen vernünftigen Überlegens und trotz aller moralischer Bedenken bin ich überzeugt davon, daß ich hierher gekommen bin, um sein Leben durcheinander zu bringen und ihn zu verführen.«
»Das wird sicher keine einfache Aufgabe bei Adam Serre. Verführung ist seine Stärke.«
»Und wenn es noch so schwierig wird … Als wir uns das letzte Mal trennten, sagte er nur: ›Tut mir leid‹.«
»Das ist zweifellos seine Art. Aber deine auch«, erinnerte Sarah ihre Nichte. »Wenn ich mich richtig erinnere, bist du mit vielen deiner liebeskranken Verehrer ähnlich umgegangen.«
»Und nun muß ich für meine Missetaten büßen«, antwortete Flora mit einem kleinen Lächeln. »Ich bin so verliebt wie nie zuvor. Ich will herausfinden, ob ich ihn so vermisse, weil er plötzlich weggegangen ist oder weil ich mehr für ihn empfinde, als ich dachte.«
»Und wenn du es herausgefunden hast, was dann?« erkundige sich ihre Tante sanft.
»Dann bin ich in einer Sackgasse«, sagte Flora geradeheraus. Den Gedanken an eine dauerhafte Beziehung, die ihr bisheriges Leben verändern würde, hatte sie immer weit von sich geschoben – in irgendeine unbekannte Zukunft, in der sie wissen würde, was sie wollte. »Im Augenblick hätte ich einfach Lust, ihm Guten Tag zu sagen und seine
Weitere Kostenlose Bücher