Sünden der Leidenschaft
und sah ihren Vater fest an.
»Nur weil ich es weiß«, antwortete er und drehte sich zu ihr. »Henry erzählte mir, daß du mit den Tränen gekämpft hast, nachdem du Helena verlassen hattest, um zum Lager zurückzukommen.«
»Danke, daß du ihn auf mich hast warten lassen. Es war mir nicht bewußt, daß ich auf der Party bei Fisks so leicht zu durchschauen war. Wenn Alan nicht bei dir gewesen wäre, hätte ich dir auch die Wahrheit gesagt. Aber er ist so fromm, daß ich befürchtete, er würde einen Anfall bekommen, wenn er gewußt hätte, was ich zu tun beabsichtigte.«
Ihr Vater lächelte. »Alan sieht die Welt zu ernst, aber er ist ein erstklassiger Künstler. Deshalb darf er seine puritanische Einstellung ruhig behalten.« Der Graf, obwohl Angehöriger seines Standes und Erbe einer der ältesten und reichsten Familien in Yorkshire, konnte die aristokratischen Privilegien kaum nachvollziehen. »Auch ohne dein Gespräch mit Adam am Pokertisch verstanden zu haben, konnte ich mir das Ergebnis vorstellen. Deshalb war es für mich nicht überraschend, daß du plötzlich mit James zurückreiten wolltest.«
»Ich hatte geplant, Adam zu bitten, mir Begleiter für meine Rückreise zum Lager zu überlassen. Er hätte seine Männer bitten können, mich hinzubringen.«
»Ich wollte lieber, daß du mit jemand reist, dem ich vertraue.«
»Mein lieber Papa«, sagte Flora sanft, dann seufzte sie tief. »Zum ersten Mal in meinem Leben fühle ich mich im Innersten berührt. Es ist ein merkwürdiges Gefühl.«
»Vielleicht bist du verliebt. Im allgemeinen verhält man sich dann nicht besonders vernünftig.«
Sie sah ihn alarmiert an. »Glaubst du? Vielleicht ist es einfach nur Langweile«, wehrte sie ab. »Ich fühle mich so orientierungslos, ohne richtiges Ziel. Es ist ein unangenehmer Zustand. Ich stelle mir Adam Serre in allen möglichen Beziehungen vor – als Freund, als Bekannten, als Liebhaber. Aber keine dieser Vorstellungen läßt mich an eine gemeinsame Zukunft glauben.« Sie seufzte wieder. »Eine Reise nach Saratoga würde keine meiner Fragen beantworten.«
»Vielleicht würdest du feststellen, daß man nicht mit wissenschaftlichen Untersuchungsmethoden an die Frage ›Liebe‹ herangehen kann.«
»Warum nicht, Papa, wenn bisher alles andere nach dieser Methode funktioniert hat?«
George Bonham blickte seine Tochter einen Moment lang an und fragte sich, ob ihre wissenschaftlich-logische Lebenseinstellung sie für die magischen Dinge des Lebens wie zum Beispiel die Liebe blind gemacht hatte. »Ich weiß es nicht«, sagte er ruhig. »Ich weiß nur, daß die Erfahrung atemberaubend und selten ist und man sie – wenn möglich – nicht verpassen sollte.«
»Es könnte doch sein, daß Adam nicht einverstanden ist.« Flora spielte mit den im Gras liegenden Kiefernnadeln und fügte hinzu: »Ich glaube, daß Liebe für ihn nicht so wichtig ist.«
»Aber du weißt es nicht sicher. Da Sarah viel Platz in ihrem Sommerhaus hat … warum versuchst du nicht, es herauszufinden?«
»Ist die Liebe wie die Suche nach den Quellen des Nils, wo die Reise allein die Anstrengung wert ist?«
»Oder wie die Theorie von Ludwig Ross über die ägäische Bevölkerung, zu deren Begründung eine jahrelange Erforschung nötig war. Die Antworten liegen nicht immer klar auf der Hand.«
»Es kann sein, daß er mich nicht Wiedersehen will.« Flora zögerte, denn der Gedanke, Adam Serre nachzulaufen, war ihr ein Greuel.
»Nun, Sarah würde dich sicher gern sehen, und ich kann mir vorstellen, daß sich etliche andere Männer in Saratoga ebenfalls über deine Anwesenheit freuen würden«, sagte ihr Vater mit einem geduldigen Lächeln.
»Eine lange Reise nur wegen eines Mannes.« Besonders, wenn es sich um einen Mann handelte, der so gefragt war, daß er eine Tanzkarte brauchte, um nicht den Überblick über die Schlange der Frauen in seinem Leben zu verlieren.
»Aber nicht zu weit, wenn man sie aus Liebe unternimmt.«
»Papa, du bist ja ein Romantiker«, rief Flora ein wenig erstaunt aus.
»Ich habe die Macht der Liebe einmal mit deiner Mutter erlebt, und wenn du sie auch finden willst, wünsche ich dir dasselbe Glück. Seit du aus Helena abgereist bist, geht es dir nicht gut. Man kann es dir ansehen.«
»Aber Papa, ich finde es erniedrigend, einem Mann durch das halbe Land nachzujagen. Er ist schon jetzt so arrogant. Ich kann das nicht tun.«
»Hast du jemals daran gedacht, daß er sich geschmeichelt fühlen könnte?«
»Hast du
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