Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sünden der Nacht

Sünden der Nacht

Titel: Sünden der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
Vom Netzwerk:
er natürlich allen Grund! Sein Blick wanderte langsam weg von Newton durch die Gitter in die nächste Zelle, wo Olie Swain in einer Blutlache auf dem Boden lag. Ihr einziger Anhalt, der einzige Verdächtige! Er hätte sie vielleicht zu Josh geführt, aber Paige hatte die Überwachung vermasselt.
    Er hätte sich vielleicht auf einen Handel eingelassen und ihnen einen Tip gegeben oder sogar seinen Komplizen verraten. Aber jetzt gab es gar nichts mehr. Alles war mit Olie fort, wie eine abgewischte Tafel.
    428
    Mitch redete sich ein, früher wäre ihm das nie passiert, als seine Instinkte noch scharf wie Rasiermesser waren. In den letzten beiden Jahren hatte er seine Instinkte abstumpfen lassen, hatte sich vorgemacht, er würde sie hier nicht brauchen. Ein Chief brauchte keine Instinkte, sondern Diplomatie. In Deer Lake war nie etwas passiert.
    Überhaupt nichts …
    Das grelle Neonlicht prallte auf Olie Swain hinunter, auf den dunklen Fleck auf seiner aschfahlen Haut, auf die leere Augenhöhle, die sein Glasauge gehalten hatte. Ein Fragment des Auges lag in einer Pfütze Blut neben seiner linken Hand – ein scharfer Splitter, aus dem eine blaue Iris und eine schwarze Pupille an die Decke starrte.
    Er hatte den Porzellankörper zerschlagen und eine von den Scherben dazu benutzt, sich die Pulsadern aufzuschneiden, sein Lebensblut ergossen auf den Boden des Stadtgefängnisses von Deer Lake.
    An der Wand über der Leiche waren in Rot die Worte
    geschmiert ICH NICHT.
    4 Uhr 32
    Der Gerichtsmediziner von Park County war ein birnenförmiger Mann mit angehender Glatze, namens Stuart Oglethorpe,
    Direktor des Oglethorpe-Bestattungsinstituts. Er befand sich in den fünfzigern, trug eine dicke schwarze Hornbrille und eine saure Miene, die Mitch vermuten ließ, daß er wohl nie den Geruch von Einbalsamierungsflüssigkeit aus seiner Nase bekam.
    Er untersuchte Olie kurz, berührte seinen Körper vorsichtig, mit behandschuhten Händen, nörgelte über die leere Augenhöhle und das viele Blut.
    Es war allgemein bekannt, daß sich Stuart Oglethorpe nur für 429
    das Amt des Bezirkspathologen beworben hatte, damit sein Bestattungsinstitut ersten Zugriff auf die Leichen hatte. Wenn der Tote sich bereits im Einbalsamierraum befand, war die trauernde Familie meist bereit, ihn dort zu lassen, einen Sarg zu kaufen und die Begräbnisfeier zu bestellen. Stuart konnte dann obendrein die Aufträge für Blumen seinem Cousin Wilmer von der Gärtnerei Blooming Bud zuschanzen. Für Olie Swain würde keiner Blumen bestellen. Wenn sich nicht irgendein längst verschollener Verwandter aus Washington für ihn interessierte, mußte er auf Bezirkskosten beerdigt werden. Kein Cadillac-Sarg, kein Firlefanz, keine Begräbnisfeier. Stuart war aus seinem warmen Bett geholt worden und mußte hinaus in die klirrende Kälte, ohne Hoffnung auf Profit, ein echtes
    Mißgeschick.
    »Ja, also, er hat Selbstmord begangen. Das kann doch jeder Trottel sehen.«
    »Ja, aber wir brauchen Ihre Unterschrift auf dem Bericht, Stuart«, sagte Mitch. »Und er wird sobald wie möglich nach Hennepin County transportiert, zur Autopsie.«
    »Autopsie? Wofür denn der Blödsinn?« grummelte
    Oglethorpe. Sobald die Leiche auf dem Seziertisch in Hennepin County lag, bekam er sie niemals zurück. Park County würde sie diesem Gesindel von Brüdern Qvaam in Tantonka überlassen.
    »Das ist die Standardprozedur, wenn ein Gefangener
    Selbstmord begeht, Mr. Oglethorpe«, erklärte Megan. »Dadurch werden alle Zweifel und Spekulationen über die Todesumstände ausgeräumt.«
    Oglethorpe fixierte sie mit grimmigem Blick. »Wer ist sie?«
    »Agent O’Malley, BCA.«
    Statt einer Antwort schnaubte er.
    »Wirklich charmant, muß ich schon sagen«, murmelte Megan.
    Sie wandte sich den Beamten zu, die sich anschickten, Olies Körper in einen Leichensack zu stecken und abzutransportieren.
    430
    »Paßt mit dem Blut auf, Jungs. Er war fünf Jahre im Knast, definitiv ein AIDS-Risiko.«
    »O Mann«, stöhnte Harding. »Und ich hab geglaubt, daß es nicht mehr schlimmer kommen könnte.«
    Sie warf ihm einen ironischen Blick zu. »Willkommen im Club der Heiligen.«
    10 Uhr, -33 Grad, Windabkühlungsfaktor: -48 Grad
    Der Presseraum im alten Feuerwehrhaus platzte seit neun Uhr fünfundvierzig aus allen Nähten.
    Es stand außer Frage, daß vermißte Kinder und
    Kinderschänder das Thema Nummer eins waren. Aber Megan sah scheel auf diese intensive Berichterstattung; sie könnte eine ungerechtfertigte

Weitere Kostenlose Bücher