Sünden der Nacht
Reporter von NBC
Nightly News zu.
»Agent O’Malley«, wollte er ansetzen.
»Ich bin der Meinung, daß Ihre Antwort für die Menschen von Deer Lake durchaus relevant sein könnte«, unterbrach Paige sie mit perfektem Timing. Innerlich grinste sie wie eine Cheshire-Katze. Sie hatte die Aufmerksamkeit sämtlicher Reporter – der Leute vom Fernsehen und derer von den Privatsendern, Leute, die eine Story witterten wie ein Hai Blut im Wasser. Sie sah, wie sich die Räder in ihren Köpfen zu drehen begannen: Woher weiß sie etwas, was wir nicht wissen? Die Vorfreude war so köstlich wie Konfekt auf ihrer Zunge. Gott segne Russ Steiger.
»Stimmt es, daß Sie sich um drei Uhr früh, als der Anruf, der Sie über Leslie Seweks Tod informierte, in Chief Holts Haus aufhielten?«
Irgendwo hinter dem hämmernden Puls in Megans Ohren
hörte sie die Reaktion der Menge wie das Summen eines
Hornissenschwarms.
Ihre Finger waren schneeweiß, ihre Knie wabbelten wie Gelee.
Sie wagte es nicht, Mitch anzusehen oder seine Hilfe zu suchen
– war auf sich selbst gestellt, wie eh und je. Großer Gott, wenn DePalma davon Wind bekam … sobald DePalma das erfuhr …
Sie starrte Paige grimmig an. Käufliches Luder. Miss Blonder Ehrgeiz, die nach jeder Intimität scharrte, die ihr einen Vorteil gegenüber den anderen bringen könnte. Allein bei dem
Gedanken wurde Megan speiübel, und sie kochte vor Wut. Sie hatte verdammt hart gearbeitet, um dahin zu gelangen, wo sie war. Zu verdammt hart, um sich ihre Träume von Paige Price’
Stiletto-Absätzen durchlöchern zu lassen.
»Miss Price«, sagte sie ruhig, »finden Sie nicht, daß Sie bei dieser Ermittlung schon genug Schaden angerichtet haben, ohne daß Sie auch noch versuchen, diese Pressekonferenz von unserem Fall und dem Schicksal von Josh Kirkwood auf sich 434
selbst abzulenken?«
»Ich will nicht auf mich aufmerksam machen, Agent
O’Malley, sondern auf Sie.«
»Das sieht aber anders aus«, forderte Megan sie heraus. »Ich sehe, daß Sie die Aufmerksamkeit Ihrer Kollegen auf sich lenken wollen, indem Sie eine eingebildete Ungebührlichkeit andeuten, in die scheinbar nur Sie eingeweiht sind. Vielleicht glauben sie, daß Ihnen das einen tollen Job bei Hard Copy einbringt, aber bei mir zieht das nicht besonders.«
Sie wandte sich wieder von der Reporterin ab. »Hat irgend jemand eine Frage bezüglich des Falles?«
»Warum beantworten Sie meine Frage nicht, Agent
O’Malley?«
Paige ließ nicht locker. »Wovor haben Sie Angst?«
Megan wandte sich mit vor Wut sprühenden Augen wieder
ihrer Gegnerin zu. »Ich fürchte die Geduld zu verlieren, Miss Price. Ihre Art der Befragung ist nicht nur irrelevant, die Antwort geht Sie auch einen feuchten Kehricht an.«
Sie bereute die Worte, noch ehe sie sie ausgesprochen hatte.
Damit hatte sie sozusagen ihre Schuld zugegeben. Es spielte keine Rolle, daß sie recht hatte, daß es niemanden etwas anging.
Es war gerade so viel Antwort, daß es ihre Phantasie anregte.
Gott, was für ein Alptraum! Sie fühlte sich, als wäre sie in eine Teergrube getreten und versackte mit jeder Bewegung tiefer darin, je heftiger sie sich zu befreien suchte. Jetzt gab es keine elegante Möglichkeit mehr, sich da herauszuwinden. Sie konnte die Wahrheit nicht erzählten und bezweifelte, daß irgend jemand eine zensierte Version schlucken würde. Wir haben über den Fall diskutiert, und ich bin einfach eingeschlafen. Ehrlich.
Richtig. Sie kam sich vor wie ein Teenager, den man dabei erwischt hatte, wie er zu spät nach Hause kam. Fast hätte sie laut gelacht über diesen Vergleich, als ihr einfiel, was Mitch gestern abend gesagt hatte: Machen wir doch rum wie früher in der 435
High School …
Paige setzte ihr bestes Kreuzzügler-für-das-Recht-auf-
Pressefreiheit-Gesicht auf und schwor sich insgeheim, Garcia den Hals umzudrehen, wenn er es nicht aufs Zelluloid gebannt hatte. »Um drei Uhr früh, als Ihr Hauptverdächtiger in einem ungelösten Fall von Kindsentführung Selbstmord beging, waren Sie, zuverlässigen Quellen gemäß, im Haus von Chief Holt, bei gelöschten Lichtern. Wenn Ihr vorrangiges Interesse nicht diesem Fall gilt, hat die Öffentlichkeit ein Recht es zu erfahren, Agent O’Malley.«
»Nein, Miss Price«, erwiderte Megan, und ihre Stimme zitterte vor Abscheu. »Die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, daß ich und all die anderen Cops, die diesen Fall bearbeiten, praktisch rund um die Uhr gearbeitet haben, um Josh zu finden, um
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