Sünden der Nacht
nur einen einzigen brauchbaren Hinweis auf dieses Stück menschlichen Abfalls zu entdecken, der ihn gekidnappt hat. Sie haben ein Recht auf die Auskunft, daß keiner von Olie Swains Vorstrafen ahnen konnte, bevor er hierherkam – daß das, was mit Josh passiert ist, ein Einzelfall sinnloser Gewalt ist und nicht das erste Anzeichen von allgemeiner Anarchie.
Sie haben ein Recht darauf zu wissen, daß Ihr Job von Ihren Einschaltquoten abhängt und Ihre Einschaltquoten gewisser Sensationsgier und Skrupellosigkeit entsprechen. Sie haben kein Recht, mir zu folgen, nachdem ich achtzehn Stunden gearbeitet habe. Sie haben nicht das Recht zu erfahren, welche Sorte Eiscreme ich mag und welche Marke Tampons ich benutze.
Hab ich mich klar ausgedrückt, Miss Price? Oder müssen wir uns vielleicht darüber unterhalten, wie Sie das mit der Überwachung von Olie Swains Haus neulich nachts erfahren hatten? Vielleicht gestehen Sie mit Ihrer patriotischen, weltoffenen Gesinnung der Öffentlichkeit die Bekanntmachung zu, daß Sie und Ihr Nachrichtenteam unsere Untersuchungen gründlich und damit zweifellos unsere Chancen, Josh Kirkwood in dieser Nacht zu finden, ruiniert haben.«
436
Die Publikumsgunst, diese launische Größe, wandte sich mit einem gewaltigen Ruck von Paige ab. Sie spürte, daß die eifersüchtige Bewunderung ihrer Journalistenkollegen abkühlte wie ein heißes Eisen im Schnee. Die Blicke der Freiwilligen bohrten sich in ihren Rücken.
Miss Price empfand die Wut ihrer enttäuschten Anhänger. Sie würde ihr Vertrauen verlieren und damit potentielle Quellen. Das schlimmste war der Verlust der Zuschauer und konsequenter-weise derjenige ihrer Pluspunkte bei den Vertragsverhandlungen.
Die Reporterin setzte sich wieder auf ihren Stuhl, den Blick auf Megan O’Malley gerichtet, brennend vor Haß.
»DePalma wird mir bei lebendigem Leib die Haut abziehen und sich eine Schreibunterlage draus machen lassen«, murmelte Megan. Sie schritt die Länge eines antiken Löschwagens ab, zitternd, nicht vor beißender Kälte in der Garage, sondern der Schreck saß ihr in den Gliedern.
Die Pressekonferenz war vorbei, aber der Ärger hatte gerade erst begonnen. Die Lunte war angezündet – und sie führte zu dem Dynamit, das in der Luft von Deer Lake lag. »Verflucht, ich hab gewußt, daß so etwas passieren würde! Ich hab es gewußt!«
»Megan, du hast nichts Unrechtes getan«, sagte Mitch. Er saß auf dem Trittbrett eines alten Trucks und fror sich die Eier ab.
Aber er war so ausgelaugt, daß er alles hinnahm. »Du hast es selbst da drin gesagt, hast deinen Standpunkt sehr klar vertreten.«
Megan starrte ihn fassungslos an. »Glaubst du etwa, das wird etwas ändern? Glaubst du, daß dieses Rudel Schakale da drin einfach sagen wird: O ja, sie hat recht, es geht uns nichts an, mit wem sie schläft? Von welchem Heuwagen bist du denn
gefallen?«
»Ich will sagen, es gibt wesentlich wichtigere Dinge, auf die 437
wir uns konzentrieren sollten. Das gilt sowohl für sie als auch für uns.«
»Was soll denn das heißen? Glaubst du, meine Karriere wäre mir wichtiger, als Josh zu finden?«
Mitch erhob sich. »Ich höre dich nicht toben, weil unser einziger Verdächtiger tot ist. Das hast du ganz locker geschluckt. Aber wenn jemand wagt, dich anzugreifen, dann geht die Welt unter.«
Megan war sprachlos, konnte ihn nur anstarren. Schließlich wandte sie sich ab, rieb sich mit einer Hand über die Stirn und murmelte: »Ich hätte wohl damit rechnen müssen. Ein Mann ist ein Mann ist ein Mann ist ein Mann.«
»Was soll das heißen?«
»Das soll heißen, du kapierst überhaupt nichts«, keifte sie und drehte sich wieder zu ihm. Jeder Muskel ihres Körpers war steif vor Zorn, die Hände zu Fäusten geballt. »Meine Autorität und meine Integrität sind kompromittiert worden. Wenn das erst über Rundfunk und Fernsehen verbreitet wird, ist meine Glaubwürdigkeit einen Pfifferling wert. Vorausgesetzt, ich mache noch einen Job. Sogar der Vatikan hat mehr Sinn für skandalöse Publicity als das BCA.« Phantombilder von
DePalmas Rage zogen durch ihren Kopf. Nixon als der
Sensenmann, das Antlitz der Verdammnis.
»Weißt du, wie ich diesen Job gekriegt habe, Mitch?« fragte sie. »Weil ich doppelt so hart und dreimal besser als jeder Mann dafür gearbeitet habe! Ich habe wie ein Berserker dafür gekämpft, weil ich an das, was wir tun, glaube.
Es gibt nichts, was mir mehr am Herzen liebt, als Josh Kirkwood ausfindig zu machen. Ich habe
Weitere Kostenlose Bücher