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Sünden der Nacht

Sünden der Nacht

Titel: Sünden der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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Gebet, jeder Herzschlag richtete sich auf die Leinwand. Josh grinste sie mit seiner Zahnlücke an, mit seinen zerzausten braunen Locken. Jede Sommersprosse war ein Mal der Unschuld, ebenso ein Symbol der Knabenschaft, wie die Pfadfinderuniform, die er so stolz trug. Seine Augen strahlten, hocherfreut über all den Spaß, den das Leben noch zu bieten hatte.
    »Das ist Josh«, sagte Mitch leise. »Er ist ein netter Junge.
    Viele von euch haben kleine Jungs genau wie er. Freundlich, hilfsbereit, ein guter Schüler. Ein argloses Kind. Er treibt gern Sport und spielt mit seinem Hund. Er hat eine kleine Schwester, die sich wundert, wo er bleibt. Seine Eltern sind gute Menschen.
    Die meisten von euch kennen seine Mutter, Dr. Garrison. Viele von euch kennen seinen Vater, Paul Kirkwood. Sie wollen ihren Sohn wiederhaben. Laßt uns alles tun, damit wir das schaffen.«
    Einen Moment lang herrschte weiterhin Schweigen, dann
    befahl Russ Steiger mit barscher Stimme seine Männer nach draußen, und die Suchteams verließen der Reihe nach den Raum. Mitch wollte mit ihnen gehen. Die Last seines Rangs hinderte ihn daran. Es war sein Job, sich mit der Presse herumzuschlagen und dem Bürgermeister und dem Stadtrat.
    Meist ließ der Posten des Chiefs nur wenig Zeit für die Polizeiarbeit an der Front, die früher sein täglich Brot war, sondern viel zu viel für die Politik, die er gar nicht mochte. Tief in seinem Herzen war er ein Cop, und früher einmal ein verdammt guter gewesen.
    Sein Blick wanderte unwillkürlich zu Paige Price. Sie
    erhaschte ihn wie eine Forelle den Köder und erhob sich anmutig, ging auf ihn zu, während ihre Kollegen sitzen blieben, hastig kritzelten oder in kleine Aufnahmegeräte sprachen.
    »Mitch.« Sie war am Podium angelangt und klickte ihr
    Mikrofon aus. Ihr Gesichtsausdruck war perfekt – Reue und Bedauern, mit genau der richtigen Portion Anteilnahme.
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    »Wegen gestern abend … ich möchte nicht, daß böse Worte zwischen uns stehen.«
    »Eben«, sagte Mitch mit eisiger Stimme. »Die Einsicht hindert Sie hoffentlich daran, eine Nervensäge zu werden.«
    Paige quittierte das mit einem verletzten Blick, mit dem sie schon mehr als eine Wand männlichen Widerstands zum
    Schmelzen gebracht hatte. Aber Mitch Holt kaufte ihr das nicht ab, und insgeheim schimpfte sie ihn einen Hurensohn. Ihre Exklusivstory gestern nacht hatte ihr ein Lob vom Direktor der Nachrichtenabteilung und vom Chef der Station eingebracht.
    Ihre Agentin hatte nur ein Wort für diesen Wurf – Dollars.
    Wenn sie bei dieser Story dem Wolfsrudel einen Schritt vorausblieb, bedeutete das ernsthaft viel Geld, vielleicht sogar ein Angebot von einem der größeren Sender. Ihr Ziel war L. A.
    Das warme, sonnig L. A. Egal, wohin es sie verschlug, alles war besser als dieser gottverlassene Eisschrank hier. Aber dabei stand ihr Mitch Holt im Weg, ein angerosteter, zerbeulter Ritter, der antiquierte Ideale aufrechterhielt.
    »Tut mir leid, wenn Sie glauben, ich wäre ein Barrakuda, Mitch. Ja, ich will eine Story rausholen, wie jeder andere Reporter hier im Raum. Aber meine ganze Sorge gilt dem armen Jungen.«
    Mitch zuckte nicht einmal mit der Wimper. »Heben Sie sich das für Ihre Familien-Sendungen auf.«
    Paige biß sich auf die Zunge. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Henry Forster von der Star Tribune sich durch die Menschen drängte, um zu ihnen zu gelangen. Sie spürte seinen bohrenden Blick. Forster haßte es, wenn ihm jemand vom Fernsehen etwas vor der Nase wegschnappte, und am
    allermeisten haßte er es, wenn dieser jemand eine Frau war.
    Aber noch ehe Forster sich einmischen konnte, betrat Agent O’Malley die Bühne.
    »Die Pressekonferenz wird in wenigen Minuten beginnen, 149
    Miss Price«, sagte sie und dirigierte Paige vom Podium weg.
    »Warum holen Sie sich nicht eine Tasse Kaffee und einen schönen, dicken Doughnut?«
    Ihr Lächeln war mit purem Stahl unterlegt. Paiges Blick wanderte hinunter zu Megan O’Malley. Wirklich amüsant, daß diese winzige Person einem Mann zu Hilfe kam, neben dem sie wie ein Zwerg aussah. Sie musterte die beiden interessiert.
    Keines der beiden Gesichter verriet etwas, was in Paige’s Augen schon genug verriet. Sie trat den Rückzug zur Kaffeemaschine an, mit einer verlogenen Geste der Unterwerfung.
    »Und ich hoffe, er setzt sich direkt auf den Hüften fest«, zischte Megan ihr nach und ging zurück an ihren Platz. Sie sah den ironischen Blick, den Mitch ihr zuwarf und erwiderte ihn mit grimmiger

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