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Sünden der Nacht

Sünden der Nacht

Titel: Sünden der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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Polizeihunde. Die Motoren der Kameras und das Scheppern der Tonausrüstung.
    Der grelle Lichtschein. Die hartnäckigen Fragen der Reporter.
    » Mr. Kirkwood, haben Sie etwas zu sagen? «
    » Mr. Kirkwood, möchten Sie eine Erklärung abgeben? «
    » Ich möchte nur meinen Sohn zurück. Ich würde alles tun –
    alles geben, nur um ihn wiederzukriegen. «
    Es schien so unwirklich. Als wäre die Welt aus dem Lot geraten. Als wäre seine Existenz das Spiegelbild der Realität, voller Schatten und scharfer Konturen. Das machte ihn unruhig, schüttelte ihn, so als würde ihm seine Haut nicht mehr passen.
    Er war ein Mensch, der Ordnung brauchte, nach Ordnung
    lechzte. Die Ordnung war den Bach hinuntergegangen.
    »Paul, setz dich. Du mußt dich ausruhen.«
    Die Stimme kam aus dem Halbdunkel. Fast hätte er sie
    vergessen. Sie war ihm von der Gebetsandacht gefolgt, bedacht darauf, nicht direkt hinter ihm das Gebäude zu betreten. Das war eines der Dinge, die er am meisten an ihr schätzte – ihr Gefühl für Diskretion, ihre Sensibilität, was seine Bedürfnisse betraf.
    Sie hatte einen Job als Halbtagssekretärin im State Farm Office.
    Keine große Karriere, nur ein kleiner Job für ein bißchen Taschengeld. Ihr Mann lehrte am Harris College. Er hatte sein Interesse an ihr und ihrer Sehnsucht nach einer Familie verloren, und sich mit Haut und Haaren in seine Arbeit an der
    psychologischen Fakultät gestürzt. Seine Arbeit war wichtig, ja unersetzlich. Genau wie Hannahs.
    Paul ließ sich auf der Couch nieder und beugte sich nach 202
    vorne, die Ellbogen auf die Schenkel gestützt. Sie kniete sich sofort neben ihn, legte ihre Hände auf seine Schultern und massierte seine verspannten Muskeln durch das Wollhemd.
    »In der Einsatzzentrale waren Freiwillige aus der ganzen Gegend«, sagte sie leise. Sie sprach immer leise, so wie das eine Frau seiner Meinung nach sollte. Er schloß die Augen und dachte daran, wie feminin sie war: Ihr Mann mußte ein Narr sein, ihr einfach den Rücken zu kehren. »An meinem Tisch saß eine Frau aus Pine City und zwei aus Monticello. Sie sind den weiten Weg hergekommen, nur um bei der Beschriftung der Handzettel zu helfen.«
    »Können wir über etwas anderes reden?«
    Die Bilder schwirrten immer schneller durch seinen Kopf. Die Freiwilligen, die Cops, die Reporter, Handzettel, Bulletins, Polizeiberichte, Lichter, Kameras, Action. Schneller und immer schneller, außer Kontrolle. Er drückte die Daumen auf seine Lider, bis Farben dahinter explodierten.
    Um ihre Hände loszuwerden, zog er die Schultern hoch und stand wieder auf. »Vielleicht solltest du einfach gehen. Ich muß allein sein.«
    »Aber Paul, ich will doch nur helfen.« Sie legte ihren Kopf an seine Hüfte, schlang ihre Arme um seine Beine und strich mit den Händen behutsam über seine Oberschenkel. »Ich möchte dich doch nur ein bißchen trösten.« Ihre Berührung wurde fester, kühner, glitt nach oben. »Gestern abend wollte ich so gerne zu dir kommen, mich zu dir legen und dich festhalten.«
    Während er nackt in Hannahs Armen gelegen war … Er
    schloß die Augen und stellte sich vor, wie sie zu ihm kam, stellte sich vor, wie er sie in seinem Bett liebte mit Hannah als Zuschauerin in der Ecke.
    Scham und Verlangen erfüllten ihn gleichermaßen, als er sich ihr zuwandte und sie seine Hose öffnete.
    Wie immer begann er jetzt mit seiner Litanei der
    203
    Entschuldigungen: Er hatte das verdient und brauchte Trost. Ihm standen ein paar Augenblicke der Entspannung zu. Mit
    geschlossenen Augen ließ er der Sache ihren Lauf. Seine Hände gruben sich in ihr seidiges Haar, und er bewegte seine Hüften im Takt mit ihren. Ein paar kurze Augenblicke verlor er sich in der Lust. Dann kam das Ende angerauscht, und alles war vorbei.
    Das Gefühl von Berechtigung wich etwas Schmutzigerem.
    Er brachte sie nicht zur Tür, sagte ihr nicht, daß er sie liebte.
    Dramaturgisch ließ er sie in dem Glauben, der Kummer hätte ihn wieder überwältigt, und ging zu dem schmalen Fenster hinter seinem Schreibtisch. Er lauschte, wie die Bürotür sich schloß, dann die Tür zum Korridor. Nach einem automatischen Blick auf die Uhr wollte er anstandshalber zehn Minuten warten, bis er frei wäre zu gehen.
    Frei.
    Irgendwie hatte er das Gefühl, heute abend würde er sich nicht frei fühlen. In einem dämmrigen Winkel seines Verstandes, in dem sich primitive Ängste regten, argwöhnte er einen
    endgültigen Verlust. Er sah Karen Wright nach, wie sie ein Stockwerk

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