Sünden der Nacht
Hasenohrenantenne, der auf einer Kiste im Wohnzimmer stand. Neben ihm lag die schwarzweiße Katze wie ein Löwe und schaute ebenfalls fern. Die kleine graue Pussi schlief zusammengerollt in seinem Schoß.
Alle fünfzehn Minuten hatte er angerufen, den Kontakt mit seinen Männern gehalten. Es gab immer noch keine Spur von Fletcher, und mit Ausnahme der Streifenwagen wurde die Bodensuche wegen der extremen Kälte jetzt eingestellt. Falls der Diakon sich irgendwo versteckte, wo die Suchtruppen ihn ohne Durchsuchungsbefehl finden konnten, brauchten sie nicht zu fürchten, daß er sich aus dem Staub machte – bis zum Morgen wäre auch er kalt und steif wie die alte Doris. Stündliche Anrufe bei der Staatspolizei informierten Mitch über die festgefahrene Situation. Wenn es Fletcher irgendwie gelungen
sein sollte, mit einem Wagen aus Deer Lake zu fliehen – auf den Highways von Minnesota hatte ihn keiner gesehen.
Mitch litt darunter, daß er nicht selbst draußen sein konnte, um nach Fletcher zu suchen. Er wußte, daß er ohnehin nicht mehr tun konnte, als bereits unternommen wurde. Aber die Untätigkeit ging seiner Cop-Natur gegen den Strich. Und nachdem jetzt die Urinstinkte wieder zum Leben erwachten, spürte er die alte Spannung in seine Sinne zurückkehren.
Megan schlief tief und fest, als er das Schlafzimmer verließ, und er hoffte, sie würde die ganze Nacht durchschlafen. Der Gedanke an die Schmerzen, die sie durchlitten hatte, erschütterte ihn immer noch … und auch, wie ihn das mitnahm! Er hatte sie pflegen wollen, trösten, sie beschützen, wollte für sie kämpfen, für ihren Job – diese Sache, die ihr soviel bedeutete, mehr als er, mehr als alles andere. Diese individuellen Komponenten addierten sich zu einem Ganzen, dem sich zu stellen er noch nicht bereit war.
An der Hand, die auf dem Rücken der grauen Katze lag, steckte der Ring. Er hörte immer noch den bitteren Schmerz in Megans Stimme – »Mein Gott, du hast es ja nicht einmal für nötig befunden, deinen Ehering abzunehmen, als du mit mir ins Bett gestiegen bist!« Er fühlte sich immer noch schuldig und begrüßte den Gewissensdruck auf eine perverse Art.
Gütiger Himmel, war er wirklich so tief gesunken? Emotionelles Fegefeuer. Und Megan hatte er mit hineingezogen. Was immer sie von ihrer Beziehung erwartete, das hatte sie nicht verdient.
Allison war fort. Für immer. Er hätte ihren Tod vielleicht verhindern können, aber wiederauferstehen lassen, konnte er sie nicht. Wie lange würde er noch dafür bezahlen? Wie lange wollte er noch dafür Sühne leisten?
Das Leben konnte sich so schnell ändern: mit einem Fingerschnippen; einem Augenzwinkern, einem Herzschlag.
… es brauchte nur einen Fehler im falschen Moment, um unser Leben auf den Halterungen zu reißen. Hannahs Worte waren ein Echo dessen, was er seit jenem Tag in Miami wußte, als er zu müde gewesen war zum Milchholen auf dem Heimweg. Eine Sekunde, eine achtlose Entscheidung, und die Welt geriet aus den Angeln!
Also war es besser, ein halbiertes Leben zu führen und nie wieder diese Art von Schmerz zu riskieren, oder noch besser: packen, was man kriegen konnte und es voll ausleben, solange das Schicksal es erlaubte!
Er wußte, was sicherer war, was weniger weh tat, ihn aber trotzdem mehr bestrafte.
Er sah sich Hannah auf dem Bildschirm an, wie sie sich um Fassung bemühte, auf ihre eigene Art Buße zu tun für den eingebildeten Fehler, der sie nun so viel kostete. Der Schmerz hatte dunkle Ringe unter ihre Augen gezeichnet und Hohlräume unter ihre feinen Backenknochen gegraben. Der Streß hatte ihre Ehe zerbrochen. Wenn sie das Rad zurückdrehen könnte, würde sie dann dem allem aus dem Weg gehen, indem sie Josh nicht in ihr Leben treten ließe? Mitch glaubte zu wissen, wie ihre Antwort hieße. Er wußte, daß er seine Zeit mit Allison und Kyle für nichts eintauschen würde. Nicht einmal für Frieden. »Wie macht sie sich?«
Megan, immer noch sehr blaß, stand in der Tür und rieb sich die Augen. Ihr Haar war total zerzaust, das Flanellhemd hing ihr bis zu den Knien.
»Sie hält sich tapfer, alles in allem«, sagte er. Er setzte Gannon auf den Boden und stand auf. »Und wie steht’s mir dir ? Wie fühlst du dich?«
»Ein bißchen benebelt. Das wird schon wieder. Ist nichts Neues.« Mitch hob ihr Gesicht hoch und musterte es eindringlich. »Für mich ist es neu. Wie oft passiert das?«
Megan wandte den Kopf ab. Nachdem das Schlimmste vorbei war, wollte sie vergessen,
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