Sünden der Nacht
soviel einfacher, wenn sie keine Angst vor ihrem Verlangen hatte und er nicht weiterzudenken brauchte als bis zur nächsten Zärtlichkeit. Dann kam der Morgen, und die Welt und ihre Leben waren genauso vermasselt wie eh und je. Ein Klopfen an der Tür brachte Mitch in die Gegenwart zurück. Megan rauschte herein, ihr Parka hing über einer Schulter, und ihre dunkle Mähne fiel offen auf die Schultern herab. Die Röte ihrer Wangen hatte vielleicht etwas mit zuviel frischer Luft zu tun, aber er vermutete eher einen neuen Energieschub. Ihre Spannung war quer durchs Zimmer zu spüren, und er kannte den Grund dafür. Selber hatte er mehr als einmal diesen Rausch verspürt, wenn er einer heißen Spur folgte.
»Was hast du?«, er ging auf sie zu.
»Ich muß mit dir reden.« Sie wandte sich an ihn, ohne ihren Vertreter auch nur eines Blickes zu würdigen.
»Agent O’Malley«, mischte Marty Wilhelm sich ein, »sollten Sie im Moment nicht in St. Paul sein?«
Megan betrachtete ihn wie lästiges Ungeziefer und erklärte Mitch:
»Ich hab da so eine Idee wegen dem Unfall an der Old Cedar Road in der Nacht, als Josh verschwand.«
»Bruce DePalma hat mich angerufen. Er sucht Sie«, quengelte Wilhelm.
Megan wandte ihm den Rücken zu. »Was, wenn es gar kein Unfall war? Was, wenn er inszeniert wurde, um Hannah im Krankenhaus festzuhalten?«
Mitch runzelte die Stirn. »Das würde nichts ändern, außer daß das Verbrechen noch diabolischer wäre. Wir wissen bereits, daß es sich nicht um eine Zufallstat handelt.«
»Völlig klar, aber überleg doch mal – denk an die Lage, von dort aus ist es etwa eine Meile zu Fletchers Haus und St. Elysius.«
Marty horchte auf, als Fletchers Name fiel. »Was? Was hat denn Fletcher damit zu tun?«
»Er hätte sich heimlich aus der Kirche schleichen, die Eisplatte auf der Straße produzieren und rechtzeitig zum Unterricht zurück sein können«, überlegte Mitch. »Den Unfall verursachen, der Hannah im Krankenhaus aufgehalten hat und sich trotzdem ein Alibi verschaffen. Es funktioniert, aber er braucht trotzdem einen Helfershelfer.«
»Es ist wahrscheinlich ein Schuß ins Blaue«, sagte Megan. »Aber ich hab mir gedacht, wenn wir einen Zeugen fänden, der gesehen hat, wie sich jemand an diesem Tag bei den Lexvolds rumtrieb, könnten wir eine Verbindung kriegen, die wir noch nicht haben.«
»Wir?« Bei Wilhelms Stimme sträubten sich ihre Nackenhaare.
»Agent O’Malley, darf ich Sie daran erinnern, daß Sie von diesem Fall abgezogen sind!«
»Daran brauchen Sie mich nicht zu erinnern«, schnaubte Megan. Sie weigerte sich immer noch, ihn anzusehen.
Er lachte ungläubig auf. »Wenn’s erlaubt ist, bin ich da anderer Meinung.«
Mit der Star Tribune wedelte er vor ihr herum. »Sie sind vorübergehend vom aktiven Dienst suspendiert. Dadurch sind Sie aus diesem Fall raus, aus diesem Raum, und unterwegs nach St. Paul.«
Sie schob ihr Kinn vor und fixierte ihn mit bösen Augen. »Ich ordne nur noch ein paar lose Fäden.«
»Sie haben hier nichts mehr zu ordnen«, wiederholte er, warf die Zeitung auf den Tisch und hielt ihr seinen Zeigefinger wie ein Ausrufezeichen unter die Nase.
Megan hätte am liebsten in ihn hineingebissen. Statt dessen biß sie die Zähne zusammen und ballte die Fäuste. »Ich lasse mir von Ihnen nichts vorschreiben, Wilhelm. Versuchen Sie nicht, mich rumzuschubsen. Das haben schon tüchtigere Männer probiert und es bereut.« Ein Piepser ertönte, schrill und durchdringend. Alle drei zuckten automatisch zusammen, schauten auf die kleinen Kästchen an ihren Gürteln. Wilhelm trat zurück und hakte seinen vom Gürtel ab.
»Wenn das DePalma ist«, er ging zur Tür, »werde ich ihm sagen, sie sind unterwegs, Megan, weil Sie hier nichts mehr zu tun haben.« Megan schwieg, bis er die Tür hinter sich geschlossen hatte. »Einen Scheiß werd ich, du elender Köter.«
»Megan, wenn du so weitermachst, feuern sie dich.«
»Ich bin schon gefeuert.«
»Du hast deinen Posten im Außendienst verloren, nicht deine Karriere. Wenn du DePalma so verarscht, holt er sich deine Marke.« Megan starrte ihre Stiefelspitzen an. Sie hatte sich das alles zahllose Male durch den Kopf gehen lassen. Zweifellos war ihre Karriere alles, was sie hatte, sie mußte sich Mühe geben, um sie zu beschützen – sich nicht in einen Fall persönlich verwickeln lassen und sich nicht mit einem Cop rumtreiben! Aber sie war bereits involviert und konnte nicht einfach aus Vorsicht diesen Fall sausen
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