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Sünden der Nacht

Sünden der Nacht

Titel: Sünden der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Hoag
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gen Himmel und schrie: »Bezeuge! Bezeuge den Zorn Gottes!«
    Das Geländer ächzte. Mitch war schon unterwegs, als das widerliche Geräusch krachenden Holzes sein Ohr traf. Er kriegte Fletchers linke Hand zu fassen, als das Geländer einbrach. Der Schwung riß ihn zur Kante. Seine Schulter prallte gegen die stützende Säule, und er schlang seinen freien Arm um sie, biß die Zähne gegen den Schmerz zusammen, in der Anstrengung, Fletchers Gewicht zu halten. Den Bruchteil einer Sekunde später entglitt ihm Fletchers Hand, und das Schicksal des Diakons war besiegelt.
    »Nein!« schrie Tom.
    Er sah Fletchers Körper aus sechseinhalb Metern Höhe stürzen, rannte aus Leibeskräften, aber seine Soutane verfing sich um seine Beine, zerrte an ihnen, verlangsamte ihn. Die Cops stürzten herbei, alle kamen zu spät. Fletcher landete wie eine Stoffpuppe, die aus dem Fenster geschleudert wurde, sein Körper zerschmetterte auf den Bänken. Jemand rief Gott an. Jemand fluchte. Pater Tom fiel auf die Knie und griff mit zitternden Händen nach Fletchers zertrümmertem Schädel. Sanitäter jagten mit einer Bahre herbei. Zu spät. Er strich mit einer Hand über das Gesicht des Mannes, schloß die leeren Augen und murmelte ein Gebet für die Seele Albert Fletchers … und eins für seine eigene.

KAPITEL 37
    Die Wirkung der Droge ließ nach. Der Nebel in ihrem Gehirn löste sich auf, ließ den Schmerz hervortreten wie eine heiße Wüstensonne, sengend, unerträglich. Megan versuchte sich auf die Fragen zu konzentrieren, die wie Fetzen von Engelshaar durch ihren Kopf trieben. Er sagte, sie wäre nahe herangekommen. Nahe an was? Sie durchwühlte ihre Erinnerung. Er hatte sie bei Priests Haus erwischt. War das ein Zufall? War sie einfach zur falschen Zeit in den falschen Ort gestolpert und hatte Albert Fletcher aus seinem Versteck getrieben? Du glaubst nicht an Zufälle, O’Malley. Und sie glaubte auch nicht, daß die körperlose Stimme dem Diakon gehörte, die keine Bibelverse, keine Drohungen ewiger Verdammnis von sich gegeben hatte. Die Stimme war kühl, kontrolliert auf geradezu furchterregende Weise. Eine Stimme ohne Seele.
    Gehörte sie dem Professor? Er war nach St. Peter gefahren, konnte daher nicht gewußt haben, daß sie bei seinem Haus auftauchte und konnte nicht auf der Lauer gelegen haben.
    Außer, jemand hatte ihn gewarnt.
    Nur mit zwei Leuten war von Priest die Rede gewesen – Garrett Wright und Todd Childs.
    Todd Childs, der Psychologiestudent, der in der ›Leseratte‹ arbeitete. Er hatte Olie Swain gekannt, hatte mit ihm an Computerkursen teilgenommen – und mit Priest. Außerdem war er in der Freiwilligenzentrale zeitweise tätig – mit Priest, arbeitete mit dem Professor an einem Projekt. Sie hatte keine Zweifel daran, daß er alles über Pharmaka wußte. Er kannte sich aus, was man ihr geben mußte. »Gleich ist Showtime.«

    Die Worte wurden an ihre Lippen geflüstert, ein obszöner Kuß. Megan wich zurück, was ihr ein gehauchtes Kichern einbrachte. Er hatte so lange geschwiegen, daß sie schon wähnte, er wäre gegangen. Sie schaute nach unten, neigte den Kopf zur Seite, soweit sie es wagte. Ein Teil des anonymen schwarzen Stiefels kam in Sicht.
    »Warum Josh?« quetschte sie hervor aus einem Mund trocken wie Puder. »Warum seine Familie?«
    »Warum nicht?« erwiderte er, was ihr Kälteschauer über den Rücken jagte. »So eine nette Familie.« Die leisen Worte troffen vor Verachtung.
    Megan starrte hinunter auf den Stiefel, der jetzt auf der Fußsohle wippte, und die Bewegung löste den Schalter des Erkennens aus. Sie hatte ihn dabei schon ein halbes dutzendmal gesehen. Nur eine Angewohnheit, eine Laune, ein unwichtiges Detail, das sie wie eine Augenfarbe oder ein Muttermal in ihrem Kopf gespeichert hatte. Sogar die Worte waren ihr vertraut. Hannah und Paul tun mir so leid. So eine nette Familie …
    Garrett Wright.
    Er hatte sie an der Straße stehen sehen, dort, wo Mike Chamberlain die Herrschaft über seinen Wagen verloren hatte. Der hilfsbereite Dr. Wright, der Pannenhilfe mit einem gütigen Lächeln anbot, und ihr später auch noch das, was er über den Verbleib seines Kollegen wußte, bereitwillig verriet.
    Hannahs und Pauls Nachbar. Ein Mann, der den leicht zu beeinflussenden Geist der Studenten des Harris College formte. Respektiert. Über jeden Verdacht erhaben. Ein Mann, den die Medien als Experten auserwählt hatten. Dieses eine Mal hatten sie allerdings in den Dreck gelangt. Ironischerweise

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