Sünden der Vergangenheit - McKenna, S: Sünden der Vergangenheit
ein kerniges, wettergegerbtes Aussehen. Dazu die großen Hundeaugen, die kräftigen Bizepse, und voilà: Gar nicht mal so übel. Wenn er nur ein bisschen lockerließe und hin und wieder vielleicht mal lachen würde, sähe er wie ein Mann aus, der mit minimalem Aufwand eine Frau flachlegen könnte. Und es wurde höchste Zeit. Der Junge war ein Vulkan, der jederzeit ausbrechen konnte.
»Sind diese Karatekurse, die du gibst, gemischt?«, erkundigte sich Sean.
Miles schnaubte. »Ich trainiere Kinder. Im Alter von vier bis zwölf.«
Sean zuckte die Achseln. »Es gibt immer heiße und hungrige alleinerziehende Mütter.«
»Das ist vielleicht ein Schock für dich, aber manche Menschen tun Dinge aus Gründen, die nicht zwingend auf Sex abzielen.«
Sean riss die Augen auf. »Wirklich? Es macht mich betroffen zu hören, dass ein gesunder fünfundzwanzigjähriger Mann solche Kommentare von sich gibt. Entweder bist du krank, nicht ganz dicht in der Birne, ein verkappter Schwuler, oder du lügst.«
»Ich bin nicht … «
»Schwul, ja. Ich weiß ganz genau, dass du das nicht bist«, vollendete Sean. »Du bist besessen von Cindy, seit ich dich kenne. Du siehst auch nicht krank aus. Bleibt nur noch, dass du nicht ganz dicht oder ein Lügner bist. Du hast die freie Wahl. Ich kaufe dir beides ab.«
Miles presste die Lippen zusammen. »Ich bin vollkommen über sie hinweg. Und ich will ihren Namen den Rest meines Lebens nicht mehr hören, verstanden?«
Sean schämte sich ein wenig. Er hatte es wieder einmal übertrieben. Er war daran gewöhnt, seine Brüder zu provozieren, die hart im Nehmen waren und ein dickes Fell hatten. Manchmal war ihr kleiner Kumpel Miles einfach zu weich für das unbarmherzige Gefrotzel der McClouds. »Du hast recht. Ich entschuldige mich.«
»Also, was ist jetzt? Fährst du mich hin?« Miles sah ihn verschmitzt an. »Du willst doch bestimmt die Sache mit dem Buchladen dieses Mädchens überprüfen?«
Sean antwortete mit einem missmutigen Grunzen. So ein opportunistischer, Schuldgefühle weckender Mistkerl. Er wandte sich wieder dem Computer zu und überflog ein weiteres Mal die Berichte.
Natürlich würde er das nicht tun. Er war nicht so dumm, nicht masochistisch genug.
Aber etwas in ihm rumorte, kribbelte, ließ ihm keine Ruhe mehr, seit er Livs Namen laut ausgesprochen gehört hatte. Er wusste nicht, wann er dieses Kribbeln zuletzt gespürt hatte. Vielleicht schon nicht mehr, seit …
Seit er sie das letzte Mal gesehen hatte? Oh, bitte. Das war doch bescheuert.
Er würde eine sorgfältige und erschöpfende Studie sämtlicher Höhepunkte seines Lebens durchführen, bevor er das zugäbe. So viel zum Thema Erbärmlichkeit.
Trotzdem. Wer war sie heute?
Nicht dass diese brennende Neugier auf Gegenseitigkeit beruhen würde. Ganz im Gegenteil. Liv verabscheute ihn aus tiefster Seele. Sie hielt ihn für die Ausgeburt des Bösen. Und das zu Recht. Und von Liv Endicott verachtet, verschmäht, verhöhnt oder auf andere Weise erniedrigt zu werden … verdammt.
Das wäre der ultimative Schlag ins Gesicht.
3
Es war der Strauß weißer Schwertlilien, der ihr am meisten zusetzte. Die unverhohlene, höhnische Unverfrorenheit dieser Geste. Als ob der Kerl sie angespuckt hätte.
Liv ballte die Fäuste und versuchte zu atmen. Ihre Bauchmuskeln waren derart angespannt, dass sie sie bewusst entkrampfen musste, damit ihre Lungen sich weiten konnten. Der Kaffee, den sie vor einer Weile getrunken hatte, rumorte in ihrem Magen und drohte, ihr wieder hochzukommen. Sie sollte ihn besser loswerden, aber sie musste immer weinen, wenn sie sich erbrach, und es war nicht ausgeschlossen, dass der Feuerteufel, der ihren Buchladen angezündet hatte, sie durch einen Feldstecher beobachtete, dabei bösartig kicherte und sich über seine sabbernden Lippen leckte. Womöglich fixierte er sie mit seinen kalten, kleinen, knopfartigen Reptilienaugen wie ein Tyrannosaurus Rex.
Ihr Blick musterte die Gebäude in ihrer Umgebung, deren Umrisse von der Rauchwolke vernebelt wurden. Er könnte sie aus einem dieser Fenster heraus observieren. Liv fröstelte. Sie würde nicht zulassen, dass er sie wie ein verletztes kleines Mädchen schluchzen sah.
T-Rex hatte das Bouquet auf einem der Kerosinkanister direkt vor dem Haus abgelegt. Er versuchte nicht mal zu verhehlen, was er getan hatte. Er hatte sogar eine Karte daran befestigt. Für Olivia, in Liebe, von du-weißt-schon-wem , war darauf gedruckt. Derselbe Schrifttyp, den er in seinen
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